Jeder liebt Conan O’Brien – was nicht zwangsläufig für ihn spricht. Hat er kein Rückgrat, ist er Opportunist? Der amerikanische Talkshow-Host und Comedian hält sich seit mehr als 30 Jahren im Showgeschäft und hat mit allem, was er macht, Erfolg: Late-Night-Shows, Reise-Serien und Podcast. In diesem Jahr wird er zum ersten Mal die Oscars moderieren. Oscar-Veteran Jimmy Kimmel hatte das Angebot zuvor abgelehnt, ebenso der Stand-up-Comedian John Mulaney. Die Einschaltquoten des renommiertesten Filmpreises der Welt sinken seit Jahren. Mit Conan haben die Veranstalter eine gute Chance, die Zahlen wieder hochzuschrauben. Für ihn dürften nicht nur wieder mehr Amerikaner einschalten, sondern Fans weltweit wach bleiben.

Wer von Conan O’Brien noch nie gehört hat, wird seinen Zauber nicht sofort verstehen. So jedenfalls ging es ihm am Anfang seiner Late-Night-Karriere, die die ersten zwei, drei Jahre mit schlechten Kritiken überhäuft wurde. O’Brien folgte 1993 auf David Letterman in der „Late Night with …“-Show. Die Zuschauer konnten mit dem albernen Schlaks-Comedian nach dem souveränen Interviewer Letterman nicht viel anfangen. Zudem wusste niemand, wer der dünne Typ mit den Sommersprossen eigentlich war. O’Brien hatte seine Tage und Nächte zuvor in den Schreibkammern für die „Simpsons“ und „Saturday Night Live“ gefristet, bis SNL-Schöpfer Lorne Michaels sein Show-Talent entdeckte und ihn als Letterman-Nachfolge vorschlug. Und er sollte Recht behalten: Nach erstem Fremdeln wurde Conan Kult; Zuschauer und Preise kamen, die Show lief 16 Jahre lang. Sie könnte heute noch laufen, hätte O’Brien nicht ein neues Angebot erhalten, von dem er nicht wusste, in welche Lebenskrise es ihn stürzen würde.

2009 sollte er die Nachfolge von Jay Leno in der „The Tonight Show“ antreten. In der Hierarchie der amerikanischen Late-Night-Shows so etwas wie der Comedy-Olymp. Doch nach wenigen Monaten war Schluss. Die Senderchefs waren mit der Quote unzufrieden und wollten die Show nach hinten auf den Platz nach Mitternacht verschieben. Dafür sollte die neue Sendung von Jay Leno auf die Sendezeit von O’Brien rücken. Der weigerte sich, am Niedergang der „Tonight Show“ beteiligt zu sein und einigte sich mit NBC auf eine Abfindung.

„Conan O’Brien Can’t Stop“

Damit war ein Comedy-Skandal geboren – und die Heldengeschichte des Conan O’Brien. Menschen demonstrierten vor dem NBC-Gebäude für den Erhalt. Laut eigener Aussage fiel O’Brien in ein Loch, dabei war der Trostpreis nicht gerade klein: NBC zahlte dem Comedian 32 Millionen Dollar, verbot ihm aber, für die nächsten Monate im Fernsehen aufzutreten. Aus dieser Zeit gibt es die Dokumentation „Conan O’Brien Can’t Stop“. Sie zeigt Backstage-Aufnahmen und die Planung von O’Briens Live-Bühnenprogramm, mit dem er nach dem Scheitern der Fernsehshow durch Amerika tourte. Sie war binnen Minuten ausverkauft. In einer Szene fährt O’Brien Auto, und eine Stimme aus dem Off fragt ihn, ob er auch ohne Publikum glücklich sein könnte. O’Brien blickt ratlos auf die Straße, die Antwort bleibt aus.

Das Image des traurigen Clowns, der Kunst aus seinem Schmerz erschafft, hält sich bis heute und wird von vielen Comedians befeuert. Auch O’Brien spricht in seinem Podcast „Conan O‘Brien needs a friend“ von Depression und Angstgefühlen, die ihn vor allem am Anfang seiner Karriere und noch bis heute begleiteten. Oft erzählt er die Anekdote, wie sein Vater, ein Arzt und Professor an der Harvard Medical School, zu ihm sagte: „Jetzt verstehe ich das. Du hast aus etwas einen Beruf gemacht, das eigentlich behandelt gehört.“ Doch zuletzt, so O’Brien in einem Gespräch mit der „New York Times“, glaube er nicht mehr daran, dass man das Leid für die Kunst braucht, es sei eher hinderlich: „Wenn ich jetzt zurückblicke, denke ich, dass einige meiner besten Ideen einfach beim Herumalbern entstanden sind.“

Spontanes Herumalbern ist der Comedy-Kern des Conan O’Brien. Eines seiner Markenzeichen ist etwa der Stringdance, bei dem er so tanzt, als wären seine Gliedmaße an Schnüren festgebunden, die er als Finale abschneidet. Die Liebe zum Klamauk dürfte er sich aus der Kindheit erhalten haben. O’Brien ist als mittleres von sechs Geschwistern in einer irischstämmigen Familie aufgewachsen, Aufmerksamkeit war ein rares Gut. In einem Interview sprach O’Brien von einem chaotischen, aber glücklichen Zuhause, samt Papagei. Sein höchstes Ziel sei es immer gewesen, den Vater am Küchentisch zum Lachen zu bringen. Seine Eltern sind beide im vergangenen Dezember gestorben.

Der absolute Wille zu unterhalten

O’Brien selbst ist mit 61 nicht der Jüngste unter den US-Moderatoren. Doch er und sein Team schaffen es, für ältere Generationen relevant zu bleiben und gleichzeitig jüngere anzuwerben. Im Internet kursieren etliche Clips von O’Briens früher Talkshowzeit und seinen Reiseshows. Zuletzt war es ein Besuch bei dem Interviewformat „Hot Ones“, das O’Brien viel Social-Media-Ruhm einbrachte. In „Hot Ones“ müssen die Gäste von Mal zu Mal schärfere Chili-Soßen essen, während sie Fragen beantworten. O’Brien hat daraus ein irres Kammerspiel mit Nebencharakter gemacht – und damit zehn Millionen Klicks generiert. Er brachte seinen „Arzt“ mit und steigerte sich in einen Wettkampf mit dem Moderator, trank die Chili-Soße aus der Flasche, wurde immer wahnhafter und ließ sich zwischendurch von seinem Fake-Arzt den Puls messen. Sein Einsatz hat sich gelohnt, die Sendung wurde die erfolgreichste in der „Hot Ones“-Geschichte. Dank O’Briens absolutem Willen zu unterhalten.

Dabei ist er meist unpolitisch, was auch ein Grund dafür sein dürfte, dass sich viele auf ihn einigen können. Verglichen mit seinen Kollegen witzelte er erstaunlich wenig über Donald Trump, was zumindest vor der Wahl in den Late-Night-Shows fast zum guten Ton gehörte. Auf jemanden zu zeigen und zu sagen, der Typ ist ein Arschloch, sei einfach kein guter Witz, so O’Brien. Ob er dieser Linie treu bleibt, wird sich am 26. März zeigen, wenn ihm der Mark-Twain-Preis für Humor in Washington D.C. verliehen wird. Die Veranstaltung wird vom Kennedy Center organisiert, zu dessen Chef sich Trump zuletzt hat küren lassen – und sogleich einige Stücke aus dem Programm des Kulturzentrums streichen ließ. Bei den Oscars dürfte es mit O’Brien dennoch unpolitischer zugehen als bei seinem Kollegen Jimmy Kimmel, der in den letzten Jahren eine persönliche Fehde mit Trump austrug. O’Brien dürfte viel mehr Sketche mit den Schauspielern planen und bereits gedrehte Clips zeigen.

Am besten ist der Moderator nicht in Eröffnungsmonologen – außer es sind aus dem Nichts gesponnene abstruse Szenarien. Seine wahre Größe findet er in der Improvisation mit anderen Menschen, changierend zwischen albern und genial. Er scheint wie ein großes Kind, wenn er seiner Assistentin, die sich so darauf gefreut hat, einen Keks aus der Hand schlägt. Im Gegenzug lässt er sich von ihr regelmäßig als „Arschloch“ beschimpfen. Der Komiker kann die Rolle des Antagonisten einnehmen, macht sich am Ende aber immer selbst zur Zielscheibe des Witzes.

O’Brien kann nicht aufhören. Doch das fällt nicht negativ auf. Sein Humor entsteht aus dem Moment. Er klammert nicht, sondern probiert Neues aus. Kurz vor den Oscars spielte er seine erste größere Filmrolle. In der Komödie „If I had legs I’d kick you“ mimt er das Gegenteil von sich selbst: einen ernsten und ruhigen Psychologen. Wer Conan O’Brien ernst erleben möchte, sollte sich den Film unbedingt ansehen. Zum Lachen bringt er einen darin trotzdem, er kann gar nicht anders.

Lena Karger schreibt für WELT über Comedy. Conan O‘Brien hält sie für den sympathischsten Comedian, den Late-Night je gesehen hat.

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