In einem dreiseitigen Interview in der Mitarbeiterzeitschrift des ZDF „Kontakt“ kündigen Andreas Grün und Tina Kutscher, die Doppelspitze des Bereichs Digitale Produkte und Automatisierung, den Schritt zum 18. März als zweite große digitale Veränderung seit 2016 an. Damals wurde die Website „zdf.de“ abgeschaltet und mit der Mediathek verschmolzen.

Wenn jetzt die Bezeichnung „Mediathek“ entsorgt wird, bedeute das für das Angebot die „Abkehr von der sogenannten bisherigen Sendebegleitung und Übernahme der Grundregeln der non-linearen Videowelt“, sagen Kutscher und Grün. Sendebegleitung bedeutet, dass die Mediathek sich noch an der linearen Denke orientiert hatte und entsprechend auf Sendetermine verwiesen wurde.

„Aus allen Studien der Medienforschung wissen wir, dass junge Nutzende über Hinweise wie ‚Sendung verpasst‘ oder ‚Heute Abend 20.15 Uhr‘ reichlich irritiert waren. Weil sie schlicht nicht wussten, was das bedeuten soll“, erklärt Kutscher in dem Interview.

Heißt das dann, das ZDF so wird wie Netflix und Amazon? Da heißt es: „Wir haben den Look und viele Funktionalitäten eines Streamingportals. Aber wir haben eine breitere Programmvielfalt als alle anderen Streamer, die überwiegend gleichförmige Inhalte anbieten und zum Beispiel selten Live-Programme haben.“

Der Anlass der Umstellung ist, dass sich das ZDF (wie die ARD) auf die Zeit nach dem Ende des klassisch empfangenen Fernsehens vorbereitet. Fernsehkanäle mit einem festen Sendeschema wird es natürlich noch eine ganze Weile geben, mittelfristig wird sich aber die Nutzung weiter verringern und der Vertriebsweg verändern – braucht es auf Dauer noch Kabel und Satellit?

Das ZDF rechnet vor, dass 2020 rund 37 Milliarden Minuten pro Tag von den Nutzern geschaut wurden. 2024 lag die Dauer bei 72 Milliarden Minuten täglich. Die TV-Nutzung sei dagegen im gleichen Zeitraum um elf Prozent gesunken (wobei von einem deutlich höheren Niveau). Die entscheidenden zwei Sätze des Interviews lauten entsprechend: „Der Begriff Mediathek wird quasi ausgeschlichen. Irgendwann ist dieses Streamingportal das ZDF.“

Die Rundfunkkommission der Bundesländer hatte ARD und ZDF aufgetragen, die Mediatheken stärker zu verzahnen und auf eine gemeinsame technische Plattform zu stellen, auch eine einheitliche Auffindbarkeit der Inhalte zu gewährleisten. Eine komplette Fusion lehnen die Anstalten ab – sicherlich auch, weil sie damit einer Fusion der Anstalten selbst den Weg bereiten würden.

„Schulterschluss gegenüber Big Tech“

Im Reformstaatsvertrag, der noch von den Ländern verabschiedet werden muss, ist festgehalten: „Die Inhalte von ARD und ZDF sind heute bereits vollumfänglich gegenseitig über die Suchfunktion der Mediatheken auffindbar. Auf ‚Video-Ebene‘ gibt es auch wechselseitige Empfehlungen zu Partner-Inhalten. Auf den Startseiten der Mediatheken hingegen sind bislang jeweils nur eigene Inhalte sichtbar. Eine entsprechende Verpflichtung, auch auf Inhalte außerhalb des jeweils eigenen Portals hinzuweisen, lockert diese Trennung auf, ohne zu einer Verschmelzung zu führen.“

Mit der ARD wurde inzwischen ein Streamingnetzwerk mit gegenseitigen Verweisen auf Inhalte geschaffen, das man „Streaming OS“ nennt. „Außerdem treten wir gemeinsam mit der ARD auch im Schulterschluss gegenüber Big-Tech-Unternehmen wie Google oder Apple oder TV-Geräteherstellern wie Samsung oder LG auf“, sagen Grün und Kutscher. Für wenig hilfreich halten sie derweil die Forderung der Medienpolitiker, eine gemeinsame Firma mit der ARD zu gründen, das bringe nichts für die Nutzer.

Für Ärger hatte sowohl beim ZDF wie bei der ARD gesorgt, dass Joyn, die Streamingplattform des privaten TV-Konzerns ProSiebenSat.1, die öffentlich-rechtlichen Mediatheken integriert hatte – was bedeutet, dass beitragsfinanzierte Inhalte innerhalb der Joyn-Plattform zu sehen waren. In diesem Fall wollen ARD und ZDF nur eine Verlinkung anbieten.

Bei ProSiebenSat.1 sagt man hingegen, auch die „Einbettung“ von Inhalten der öffentlich-rechtlichen Anstalten sei laut Staatsvertrag möglich und mit dem EU-Recht zu vereinbaren. Trotzdem hat man den „Beta-Test“ nach einem Monat beendet. Hier wie dort geht es aber darum, mit möglichst vielen Inhalten die Zuschauer auf den jeweiligen Plattformen zu halten.

Mittelfristig will das ZDF die Plattform personalisieren, also auf die Interessen der Nutzer zuschneiden. Zunächst wird aber die Umstellung zum 18. März von einer Werbekampagne begleitet. Der Aufwand, den das ZDF betreibt, ist allein personell beträchtlich. In dem Artikel heißt es: „30 Kolleginnen und Kollegen sind im Bereich Digitale Produkte & Automatisierung tätig, 100 bei externen Agenturen. Über 1.000 arbeiten im ZDF in Sophora, dem Redaktionssystem der Mediathek. Sie alle arbeiten an dem Relaunch aktiv mit.“

Christian Meier ist WELT-Medienredakteur.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke