Es ist lange her, dass Volkswagen noch so richtig Wind machte. Von der beständig wehenden Sorte ist in der Produktpalette des deutschen Automobilherstellers nur der gemütliche Passat übrig. Vorbei die stürmische Zeit als noch der Scirocco, der heiße Saharawind, übers Mittelmeer bis hoch nach Wolfsburg blies. Überwunden sind auch kuriose Luftnummern, wie der VW Vento oder der kurzlebige Bora, der sich seinen Namen von einem trocken kalten Fallwind an der nordöstlichen Adriaküste lieh.
Geschenkt, dass ausgerechnet der biedere VW Jetta sich vom durch die Stratosphäre jagenden Jetstream ableitete. Und dass man sich bei Volkswagen einmal von den kalifornischen Santa-Ana-Winden inspirieren ließ, die neulich erst wieder Los Angeles in Brand setzten – vergessen! Wie die aufgepumpte Passat-Variante VW Santana, die Anfang der Achtziger ein paar Jahre lang gebaut wurde.
Erfolg hatte VW dagegen mit possierlichen Kerbtieren und elitären Sportarten. Polo etwa. Auch Golf wurde zwar nie ein Volkssport wie versprochen, aber der Volkswagen gleichen Namens läuft und läuft … Er prägte mehr als nur die nach ihm benannte Generation Golf. Hergestellt wird zurzeit die achte, die im Straßenbild nur niemand mehr erkennt, weil bei der Evolution des Bestsellers leider irgendwann die Gestaltungsideen ausgingen. Hashtag #erdbeerkörbchen.
Aber so etwas wie den Käfer oder den Golf – elektrisch motorisiert – wünscht sich Volkswagen nicht nur, sondern braucht es auch wirtschaftlich dringend. Denn, wie es der Markenchef Thomas Schäfer gestern ausdrückte, 2024 war ein hartes Jahr für den Konzern. (Und die Jahre davor waren auch nicht rosig.)
Womit wir endlich in Düsseldorf wären, wo am Abend des 5. März 2025 die Zukunft von Volkswagen vorgestellt wurde, die aber doch erst 2027 losgehen soll. Schäfer hatte zur Präsentationsgala geladen, ein neues E-Auto war angekündigt, ein Kleinwagen, der die Flaute beenden soll.
Windstille in Wolfsburg
VW Mistral – das wäre was gewesen. Aber der Name für die heftigen Böen aus dem Rhone-Tal war schon von Maserati (1963 bis 1970) und neuerdings von Bugatti (seit Februar 2025) besetzt. VW Zephyr, nach dem griechischen Gott eines milden Westwindes, auch nicht schlecht. Bloß hießen so schon ein Ford, ein Lincoln, ein Mercury und sogar eine Kawasaki.
VW Tornado? Riskant, doch ausgerechnet Oldsmobile hatte die wirbelnde Windhose bereits jahrzehntelang als Oberklasse-Coupé herausgebracht, bloß sicherheitshalber Toronado getauft. Blieben noch Namen wie VW Calima, Caurus, Karif, Kaskasi? Aber man will ja nicht klingen wie ein Renault!
Und an mythologischen, metaphorischen und sonstwie bedeutungsvollen Namen und Benennungen hängen sowieso nur noch Werbetexter vom Schlage eines Don Draper und Feuilletonisten. Bei Volkswagen weht dagegen ein anderer Wind, da mag man’s knackig, denglisch und gab schon der 2016 vorgestellten E-Mobilitätsfamilie einfach das Kürzel ID.
Geniale idea! Ernüchterung, wenn man von Volkswagen erfuhr, dass ID für „intelligentes Design“ steht – ein Versprechen, das nicht wirklich eingelöst wurde. Aber jede Idee braucht Luft nach oben, also wurde im Jahr 2019 zuerst der ID. 3 auf die Straße gelassen, 4 und 5 folgten, zuletzt der ID. 7.
Geheime Zutaten
Langes Warten aber auf die kleineren Nummern, die einem systemrelevanten Unternehmen, das Ende des Jahres 2024 bekannt gab, bis 2030 die ungeheure Zahl 35.000 Stellen abzubauen, wieder Aufwind geben würde. Wo bleibt der Erfolg versprechende E-Kleinwagen, der fährt und fährt … und nicht nur lädt und lädt …?
Der ID. 2all (der zweite für alle?) wird immerhin noch 2025 kommen, aber den Durchbruch soll die neue Nummer Eins von Wolfsburg schaffen, die in einem satten Dottergelb in Düsseldorf auf die Showbühne fuhr. Und auch den Namen darf man sich auf der Zunge zergehen lassen: ID. EVERY1.
Fehlt da nicht ein Unterstrich zwischen every und one? Egal, der 20.000-Euro-Einstiegs-E-Volkswagen (wenn man auf alle Extras bei der Ausstattung verzichtet) ist da. OK, in zwei Jahren, vielleicht, wenn alles gut geht. Aber: Es werde das Auto für alle und jeden. So bekräftigte es CEO Schäfer bei seiner Präsentation. Ein Jedermann für jedermann und jede Frau und alle dazwischen und für die ganze Familie. Ein Auto, „das dazugehört wie der Hund“, eines für alle.
IDentifikation qua Name ist das eine. Aber wie sieht das Auto eigentlich aus? Ohne Blech-Shaming geht es leider nicht: Etwas stämmig ist er geworden, mit einem strammen Hinterteil unterm „fliegenden Dach“ und kräftigen Flanken zwischen den ausgebeulten Partien, die man beim Käfer noch Kotflügel nannte. Im Unternehmenssprech von Volkswagen nennt man solche Designspitzfindigkeiten „Secret Sauce“ oder „Zaubertrankelemente“. Über die inneren Werte gibt es nur wenig verlässliche Angaben.
Beim ersten Auftritt auf der Showbühne zeigte Volkswagen einen kleinen Kerl, der mit seiner Linienführung durchaus anecken will. Seine „freundlichen“ Augen aber sollen ihn „sympathisch“ machen. Mit seinen waagerecht stehenden LED-Pupillen schaut er dabei ein bisschen wie ein Schaf. Und er kann so niedlich zwinkern! Wenn wenigstens das Feature zur Serienausstattung gehört, könnte er die Straßen im Sturm erobern.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke