EU-Außenbeauftragte Kallas hat Aserbaidschan besucht, das sich inmitten weltweiter Spannungen als verlässlicher Partner für Energie und Transport präsentieren will. Für Irritation sorgte, dass sie nicht auch nach Armenien fuhr.

Gerade zurückgekehrt von einem Staatsbesuch mit allen Ehren in China hat Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in seiner Sommerresidenz bei Baku empfangen. Sie ist nur eine von zahlreichen hochrangigen politischen Vertretern, die in diesen Tagen dem seit 2003 regierenden Präsidenten ihre Aufwartung machen.

Kallas hob dann auch hervor, dass die EU der größte Handelspartner und größter Investor des Südkaukasusstaates sei. Aserbaidschan wiederum habe der EU bei der Stärkung der Energiesicherheit geholfen in einer Zeit, "in der die Welt vor beispiellosen Herausforderungen steht", sagte sie bei einer Pressekonferenz mit Außenminister Ceyhun Bayramov.

Gas für Europa

Nach der Invasion Russlands in der Ukraine am 24. Februar 2022 hatte sich Aserbaidschan als alternativer Gaslieferant zu Russland angeboten. Über den Südlichen Energiekorridor fließt Gas aus dem Kaspischen Meer nach Europa, das vor allem für Staaten in Südosteuropa wie Ungarn, Rumänien und Bulgarien von Bedeutung ist. Im vergangenen Jahr war die Rede davon, dass aserbaidschanisches Gas auch über Pipelines in Russland und der Ukraine in die EU gelangen könnte.

Doch davon war in den offiziellen Statements heute nichts zu hören. Ebenso erwähnte Kallas nicht die Absichtserklärung, die EU-Kommissarin Ursula von der Leyen im Sommer 2022 mit Präsident Alijew in Baku verabschiedet hatte. Darin ist - unverbindlich - festgehalten, dass Aserbaidschan seine Gaslieferungen bis 2027 von bisher 8,15 auf dann 20 Milliarden Kubikmeter pro Jahr verdoppeln will.

Zwar spricht Alijew immer wieder von einer Zunahme der Lieferungen. Er beklagt aber auch, wie kürzlich beim Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Baku, ausbleibende Investitionen in den Ausbau der voll ausgelasteten Förder- und Transportkapazitäten.

Blick nach Asien

Dem in Brüssel ansässigen Think Tank "Bruegel" zufolge stagnierten die Gasexporte Aserbaidschans in die EU in den vergangenen drei Jahren: Das Gesamtexportvolumen in die EU habe 2024 bei 12,66 Mrd. m³ und damit nur geringfügig über dem Jahresvolumen von 12,39 Mrd. m³ im Jahr 2023 und 12,26 Mrd. m³ im Jahr 2022 gelegen. Im ersten Quartal diesen Jahres sank es demnach sogar.

Kurz nach Steinmeiers Besuch drohte Alijew, Aserbaidschan werde sich für den Export seines Gases nach Osten und Süden orientieren, wenn die EU nicht für einen Ausbau des südlichen Gaskorridors sorge. Zwar fehlt für diese Orientierung in Richtung Asien Infrastruktur, dafür gibt es mit Turkmenistan und Kasachstan Konkurrenz. Und tendenziell geht der Bedarf an Gas in der EU in den kommenden Jahren zurück, dies auch durch Zunahme Erneuerbarer Energien.

Strategische Partnerschaft mit China

Doch dürfte sich Alijew durch seinen Staatsbesuch in China gestärkt sehen. Mit Präsident Xi Jinping vereinbarte er eine umfassende strategische Partnerschaft. Diese sieht Kooperation beim Aufbau Erneuerbarer Energien und der Verkehrsinfrastruktur von China nach Europa vor.

Es sind beides Bereiche von erheblicher Bedeutung für die EU. Angesichts der unsicheren Sicherheitslage entlang der Weltmeere wird die Landverbindung durch den Südkaukasus für den Verkehr wichtiger. Entsprechend sprach Kallas in Baku von einem Ausbau der Verbindungen zwischen der EU und der Region. Sie nannte auch die Wiederaufnahme der Verhandlungen zu einem Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, von dem seit Jahren kaum noch die Rede war.

Chancen für die Region

Alle drei Staaten der Region, neben Aserbaidschan Armenien und Georgien, wollen von den sich bietenden Chancen durch das gestiegene Interesse an der Landverbindung profitieren. Das erhöht den Druck, nun endlich die Hürden dafür zu beseitigen.

Neben Korruption, Bürokratie und fehlender Infrastruktur sind dies territoriale Konflikte, und hierbei vor allem die Feindschaft zwischen Aserbaidschan und Armenien. Zwar hatten beide Staaten kürzlich eine Einigung auf ein Friedensabkommen bestätigt, doch war dies von neuerlichen Spannungen begleitet, inmitten derer sich beide Seiten unter anderem den Bruch des Waffenstillstands am gemeinsamen Grenzverlauf vorwerfen.

Sorge in Armenien

Kallas erklärte im Namen der EU ihre Unterstützung für einen "nachhaltigen und dauerhaften Frieden" zwischen beiden Staaten. Sie reiste jedoch nicht, wie Steinmeier noch im März gesagt hatte, nach Jerewan, um dort eine Partnerschaftsagenda mit der EU voranzubringen.

Kallas' Sprecherin reagierte nicht auf Nachfragen zu den Gründen der Absage und zu einem möglichen späteren Besuch in Armenien. Aus Jerewan war zu hören, dass dort keine schlüssige Begründung für ihren ausbleibenden Besuch genannt worden sei. Man habe dies mit Bedauern und Sorge zur Kenntnis genommen. Verwiesen wurde auch darauf, dass die EU-Mission in Armenien, die an der Grenze zu Aserbaidschan patrouilliert, immer wieder im Fokus aserbaidschanischer Propaganda steht.

Es zählt zu den diplomatischen Gepflogenheiten, möglichst wie Steinmeier oder auch Außenministerin Annalena Baerbock im Jahr 2023, beide Konfliktstaaten zu besuchen. Kallas' erster Besuch in der Region als EU-Außenbeauftragte fällt zudem in eine für Armenien sensible Zeit. Gestern wurde, wie jedes Jahr, im Land und weltweit des Völkermordes an den Armeniern vor 110 Jahren gedacht.

Was allerdings auch die Lage bestimmt: Nachdem sich Armenien in den vergangenen Monaten der EU angenähert hatte, wich die Regierung nun wieder ein Stück weit zurück, nachdem Russland immer lauter mit wirtschaftspolitischer Vergeltung gedroht hatte. Armenien hängt bei wesentlichen Bereichen wie der Energieversorgung noch immer stark von Russland ab.

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