Eigentlich hatte Krankenschwester Sara in der achten Staffel der US-Version von "Love Is Blind" ihren Traummann gefunden: Kandidat Ben kam gutaussehend, ehrgeizig, mit positiver Lebenseinstellung daher. Und trotzdem ließ sie ihn beim Finale der Netflix-Show vor dem Altar stehen. Sie war nicht die Einzige: Auch Kandidatin Virginia sagte überraschend in letzter Sekunde nein – und zwar mit ähnlicher Begründung. Im Kern geht es um den Clash zwischen konservativ agierenden Männern und progressiv denkenden Frauen. Ein Problem, das einen Nerv in der Dating-Welt zu treffen scheint. In den sozialen Netzwerken werden die Frauen für ihre Entscheidungen jedenfalls gefeiert.
Bei Sara und Ben gab es schon beim Kennenlernen Warnzeichen. "Ich habe bei der letzte Wahl nicht gewählt", sagte Ben leichthin, als Sara ihn nach seinen politischen Ansichten fragte. Auch über die "Black Lives Matter"-Bewegung, die durch den Tod von George Floyd in Minneapolis, der Heimatstadt der beiden, weltweit Aufmerksamkeit bekam, hatte er sich noch keine Gedanken gemacht. Trotzdem verlobten sich die beiden.
"Love Is Blind" zeigt: Das Private ist politisch

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"Ich habe ihm einen Vertrauensvorschuss gegeben", sagte Sara hinterher. Bloß: Viel tiefsinniger wurde es nicht. Sara, deren Schwester mit einer Frau zusammenlebt, hatte Ben etwa nach den Ansichten seiner Kirche zur LGTBQ+-Community gefragt. Seine Antwort: keine Ahnung. Die Beziehung sei letztlich zu oberflächlich geblieben, fasste Sara es zusammen. Dabei sei es ihr nicht darum gegangen, einer Meinung zu sein, sondern darum, wichtige Themen diskutieren zu können. Sie habe sich jemanden gewünscht, der neugierig und interessiert an ihren Ansichten und ihrer Denkweise sei. "Ich weiß nicht, was ich anders hätte machen können", sah man Ben derweil schulterzuckend nach der geplatzten Hochzeit sagen.
Ähnlich war es bei Virginia und Devin, eigentlich ebenfalls ein Paar, das sehr verliebt wirkte. Beim großen Wiedersehen erklärte Virginia, Devin habe vor der Kamera nicht über politische Ansichten sprechen wollen. Deshalb möchte sie dazu nichts sagen. Doch sie könne ja über ihre Einstellungen sprechen: "Ich unterstütze die LGBTQ-Community, ich unterstütze, dass Frauen ein Recht auf Abtreibung haben sollten, ich respektiere unterschiedliche Religionen", sagte sie. In der Show hatte sie erzählt, dass Devin sich geweigert habe, über bestimmte Themen zu diskutieren. "So haben wir keine Tiefe erreicht."
Junge Frauen wählten Die Linke, junge Männer AfD

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Dass Frauen progressiver werden, während junge Männer wieder konservativer denken, ist ein weltweites Phänomen. Eine These, die sich in diesem Zusammenhang ableiten ließ lautet, dass Paar-Beziehungen schwieriger würden. Manche warnen gar vor einem noch stärkeren Rückgang der Geburtenrate. Zumindest scheint immer mehr auf dem Spiel zu stehen: Die achte Staffel von "Love Is Blind" wurde 2024 aufgezeichnet, also noch vor Trumps zweiter Amtszeit. Die Gräben zwischen den Fronten dürften sich seither weiter vertieft haben. Laut "NY Times" hat die Trump-Regierung etwa gerade eine Liste von hunderten Wörtern herausgegeben, die in Regierungs-Dokumenten oder auf Websites limitiert oder vermieden werden sollen. Darunter auch das Wort "Frauen". Kein Wunder, dass ein "Darüber habe ich noch nie nachgedacht" nicht mehr reicht.
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Auch in Deutschland bahnt sich eine politische Differenz zwischen den Geschlechtern schon länger an. Bei der aktuellen Bundestagswahl hat die Mehrheit der 18- bis 24-jährigen Frauen für die Partei Die Linke gestimmt, während die Männer im gleichen Alter die AfD favorisierten. Gut möglich, dass sich das auch hierzulande noch deutlicher im Dating-Leben wiederfinden wird. Schon jetzt kann auf einigen Partnersuche-Apps die politische Ausrichtung angekreuzt werden. Und tatsächlich beweist "Love Is Blind", dass es lohnenswert ist, sich diesbezüglich auszutauschen.
Es kann sehr aufschlussreich sein, den potenziellen Partner mal zu fragen, wie er es eigentlich findet, dass Friedrich Merz noch 1997 dagegen gestimmt hat, die Vergewaltigung in der Ehe strafbar zu machen. Oder wie er dazu steht, dass die Ampel-Regierung es nicht geschafft hat, Abtreibung endlich aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Für eine Beziehung – gar für eine Ehe – wäre es auch wichtig, sich über die Nachteile des Ehegattensplittings für Frauen auszutauschen oder darüber zu sprechen, wer sich um eventuelle Kinder kümmern würde und ob und wie Care-Arbeit bezahlt werden sollte.
"Das Private ist politisch" lautet ein alter Leitsatz der Frauenbewegung in den 70er-Jahren. Er gilt heute mehr denn je, wenn Frauen und Männer Beziehungen auf Augenhöhe führen wollen.
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