Peter Seiffert war ein Wagner-Held wie aus dem Bilderbuch. Er kam, sang und siegte. Mit sparsamer Gestik und möglichst wenig Bewegung. Aber mit Allüre und Auftreten. Mit blonder Naturmähne, später auch mit Schnauz, der selbst für Lohengrin und Parsifal dranblieb. Mit dem Texte lernen tat er sich schwer, aber die Souffleure kamen gut mit ihm zurecht.
Doch was sich da aus diesem Mund über Jahrzehnte vokal entfaltete, das war pures Singgold, welches selbst die Rheintöchter verzückt hätte – obwohl er sich Wagners Siegfried als Endpunkt einer deutschen Sängerkarriere letztlich doch versagt hatte. So klug und haushaltend ging er mit seinem Material um. Den Otello, Finalmoment einer italienischen Heldentenorkarriere, den hat er gemeistert, obwohl Peter Seiffert sonst um dieses sprachliche Terrain klugerweise einen Bogen machte.
Schließlich war der am 4. Januar 1954 in einer musikalischen Familie geborene Düsseldorfer zunächst als lyrischer Tenor in Singspielrollen von Lortzing an der Deutschen Oper am Rhein gestartet. Das war 1978, vorher hatte er sich an der örtlichen Musikschule ausbilden lassen, sicherheitshalber aber auch noch parallel Physiotherapeut gelernt. Mit den Händen zupacken musste Peter Seiffert aber nie, die verlässlich robusten Stimmbänder haben immer gehalten. Und mehr noch: Sie katapultierten ihn in eine Weltkarriere.
Er war das „deutsche Fach“ von München über Wien, Hamburg und Bayreuth, an der Mailänder Scala, der Pariser Oper, in Japan, New York, Buenos Aires, London und Salzburg. Denn aus Düsseldorf brach er schon nach vier Jahren in die Freiheit auf. Vertragsbande ging er bereits 1980 mit der Deutschen Oper Berlin ein, wo man ihn als Sänger planmäßig und sorgfältig aufbaute.
Zarte Bande hielten ihn dann freilich an der 15 Jahre älteren Sopranistin Lucia Popp fest, seit sie sich – sie als Frau Fluth, er als ihr Schwiegersohn-in-spe Fenton – bei einer Münchner Premiere der „Lustigen Weiber von Windsor“ kennengelernt und dann bei „Der Barbier von Bagdad“ die Beziehung gefestigt hatten. Wolfgang Sawallisch war der generöse Gefühlsvermittler am Pult. 1986 heirateten beide, waren am bayerischen Wohnsitz, aber auch sonst in der Opernwelt Herz und Seele, vor allem auch Stimme. Bis zu Popps tragisch frühem Krebstod 1993.
Peter Seiffert war da schon vom Tamino vom Dienst zum Lohengrin herangereift. Doch die Ottavios, Mozart-Prinzen und Eriks hielt er sich frisch, auch wenn 1988 der erste Parsifal, 1999 der erste Schwanenritter erfolgreich absolviert worden waren. Denn die Mozart-Stimme hatte genügend Breite, Höhendurchschlagskraft und Metall, um auch im Wagner-Fach zu bestehen.
Und so, wie die Opernhäuser sich um Peter Seiffert rissen, so taten es damals eben auch noch die Plattenfirmen; die EMI bekam den Zuschlag. Und inszenierte ihn – in der Marketing-Linie seiner unmittelbaren Vorgänger Rudolf Schock und René Kollo – als Schwiegermutterliebling mit Wunschkonzertalben à la „Magische Töne“ und eher linkischen Operettenausflügen. Bei Seifferts Nachfolger Klaus Florian Vogt, ebenfalls mit blonder Haarmatte, wurde solches nochmals versucht, da war der Typ bereits aus der Zeit gefallen. Jonas Kaufmann war dann schon der deutsche Tenor-Latin-Lover mit Locken, Jeans und Sneakers. Doch anders als Jonas konnte Peter Seiffert beinahe sein ganzes Repertoire der Reifejahre noch auf Ton- wie Bildträgern festhalten.
Skandalfrei und gut gelaunt, zugewandt allen auf der Bühne, bescheiden seinem Publikum dienend, sang sich Peter Seiffert durch die Rollen und die Jahre; jetzt meist an der Seite seiner zweiten Frau, der Wienerin Petra Maria Schnitzer, mit der er zwei Söhne bekam. Eine „Lohengrin“-Premiere 1990 an der deutschen Oper in der Regie von Götz Friedrich war als „ein Weltereignis im Wagner-Gesang“ gefeiert worden. Und spätestens als ihm als Ritter von Stolzing in den „Meistersingern“ von 1996 Bayreuth Parnass und Paradies wurde, war er weitgehend auf Wagner abonniert, 1999 hatte er in Zürich den ersten Tannhäuser, 2006 in Berlin den ersten Tristan gesungen.
Seiffert ging in Berlin sowohl an Daniel Barenboims Staatsoper wie an der Deutschen Oper ein und aus, an der Bismarckstraße sang er 2011 in der kürzlich abgesetzten Graham-Vick-Inszenierung seine wohl ausgereift-komplexeste Tristan-Interpretation als alter Mann und noch einmal großer Liebender.
Die Stimme von Peter Seiffert war schwerer geworden, zeigte aber kaum Abnutzungserscheinungen. 2020 sollte ein „Tristan“ im Festspielhaus Füssen unter Oksana Lyniv inoffiziell einen Karriereschlusspunkt setzen, der fiel der Pandemie zum Opfer. Im ebenfalls ausgefallenen Festspielsommer dieses Jahres war die Stimme von Peter Seiffert dann ein letztes Mal für ein gestreamtes Konzert in Haus Wahnfried an der Seite von Camilla Nylund zu erleben. Später erlitt Peter Seiffert einen Gehirnschlag. Am 14. April ist er im Alter von 71 Jahren gestorben.
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