Das Wunder der Kunst war nie ganz über den Verdacht außerirdischer Herkunft erhaben. Sehr zu Recht nannte der Maler Sigmar Polke ein treffliches Gemälde „Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!“ Das war möglicherweise ironisch gemeint, was man von den malerischen Selbstzeugnissen des schwedischen Mediums Hilma af Klint keineswegs sagen sollte.
Ein stilles Leben lang ließ sie sich von theosophisch geschulten Geistwesen den Pinsel führen, was zu einer sanftfarbenen Bildwelt voller Kreise, Ellipsen und geometrischer Formen führte, die als Geheimwissen tunlichst verschlossen blieb. Erst nach Jahrzehnten erbrach man den Schrein. Seither gehören diese Bilder mit Transzendenz-Anschluss zu den ganz großen Publikumsfavoriten. Und die Künstlerin rückte auf in den gut maskulin besetzten Olymp der abstrakten Malerei.
Wobei es ein ungelöstes Rätsel bleibt, wie die denkbar unfreieste Art der Bildgewinnung mit jenem utopischen Freiheitsanspruch zusammenspielen soll, der sich mit der Erfindung der abstrakten Malerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbindet. Die Pioniere Wassily Kandinsky oder Kasimir Malewitsch, denen Hilma af Klint inzwischen ranggleich beigesellt wird, sind wahrhaftig nicht frei von spirituellen Gelüsten, aber sie wollten immer autonome Urheber ihrer zeichenlosen Malentscheidungen sein. Auf den bildnerischen Zwangscharakter der Kollegin hätten sie nur mit Mitleid geblickt.
Inzwischen ist der anthroposophisch dominierten Klint-Stiftung der ganze Rummel entschieden zu laut. Großneffe Eric af Klint fordert, wie die „Zeit“ berichtet, den Rückzug des Werks aus der Öffentlichkeit. Alles soll wieder so werden, wie es ursprünglich war. Nie hatte die Malerin ausgestellt, nie hat sie ihre sanftfarbenen Kreise, Ellipsen und geometrischen Formen aus dem Atelier gegeben.
Künftighin soll der Nachlass des malkundigen Geistes in einer Art Tempel verwahrt werden, in den vermutlich nur Erleuchtete mit erfolgreichem Waldorfschul-Abschluss eingelassen werden. Bekennende Hindus und Moslems, das steht schon fest, haben keinen Zutritt.
Hilma hätte das Himmelstheater um sie gelassen ertragen. Was wissen all die Leute schon von fernmündlicher Regie beim Bildermachen? Was wissen sie von den Stimmen und Visionen, die die unfreiwillige Malerin zu leeren Farbgeometrien angestiftet und ganz gewiss nicht ermutigt haben, damit im gnadenlosen Aufmerksamkeitswettkampf der Zeitkunst zu bestehen? Es sind halt höhere Wesen, die nun befehlen, zu reprivatisieren, was nie öffentlich sein sollte.
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