Was lange währt, wird endlich gut. Und so steht nach einem langen Vorentscheids-Marathon nun fest, wer Deutschland beim diesjährigen Eurovision Song Contest vertreten wird: das Duo Abor & Tynna mit dem Song "Baller". Ja, leiwand.
Am Ende kann auch Barbara Schöneberger nicht länger an sich halten. Das gediegene Schwarz zum feierlichen Anlass, dass der Eurovision Song Contest (ESC) nun wieder "Chefsache" ist, aus den ersten drei Vorentscheid-Shows bei RTL bleibt im Schrank. Stattdessen macht sich die Moderatorin zum großen Finale in der ARD einen Schlitz ins Kleid und freut sich in ihrem Wundertüten-Outfit aus schwarzen und in Bronze glitzernden Streifen unablässig darüber, wie "gut", "toll" und "großartig" doch alles in diesem herrlichen Klimbim ist.
Tatsächlich wird zum Showdown des Marathons auf der Suche nach Deutschlands ESC-Hoffnung in diesem Jahr noch einmal mächtig aufgefahren. "Dies hier ist ein wichtiger Abend für Deutschland", redet Stefan Raab dem TV-Publikum zu Beginn ins Gewissen, als wäre er nicht nur der "Chefsachen"-Chef, sondern auch der nächste Kanzler - und nicht etwa "Fritze Merz", mit dem er aktuell musikalisch "Rambo Zambo" macht. Das letzte Wort, wer die Nation beim ESC in Basel vertreten wird, hätten die Zuschauerinnen und Zuschauer. "Deshalb bitte ich Sie um Ihre Stimme", so Raab.
Ja, die allerletzte Entscheidung treffen an diesem Abend tatsächlich die Menschen vor den Fernsehgeräten. Für Verwirrung und einigen Ärger hatte im Vorfeld jedoch gesorgt, dass Raab offenbar kurzfristig auch seiner Jury auf den letzten Metern noch ein Mitsprachrecht zuschanzte.
"Es gab keine Regeländerung"
Statt über alle neun Acts, die es von den insgesamt 24 Kandidatinnen und Kandidaten zu Beginn des Vorentscheids bis ins Finale geschafft hatten, darf das TV-Publikum am Ende nur über fünf von ihnen abstimmen. Die restlichen vier sortiert die Jury hingegen bereits vorab aus. In ihr sitzen diesmal neben den Dauermitgliedern Raab und Yvonne Catterfeld die Gastjuroren Nico Santos und Conchita Wurst mit einer Brille, deren überdimensionale Gläser beinahe auch als Klobrillen dienen könnten. Das bisherige Jury-Mitglied Elton indes hat Sendepause - aus persönlichen Gründen, wie es heißt.
"Es gab keine Regeländerung", erklärt Raab auf einer anschließenden Pressekonferenz, als er noch einmal auf den für viele überraschenden Abstimmungsmodus angesprochen wird. "Es war immer geplant, dass wir noch mal reduzieren", sagt Raab, "damit das Publikum eine klare Auswahl treffen kann."
Zu denen, die so vorzeitig über die Jury-Klinge springen, zählen dann der "Hitparaden"-Gedächtnis-Barde Benjamin Braatz ("Like You Love Me"), Goth-Girl Julika ("Empress") sowie die Formation Cosby ("I'm Still Here") im Glamrock-Outfit. Da hilft es auch nichts, dass der bauchnabelfreie Ganzkörperanzug des Schlagzeugers für Raab "das Schönste am heutigen Abend" ist.
"Baller" statt Ballermann
Und auch den Feuerschwanz ziehen der Entertainer und seine Jury-Gehilfen ein, noch ehe das Publikum den gleichnamigen Mittelalter-Rockern vielleicht glatt die allerhöchsten ESC-Weihen verleiht. Tatsächlich sprachen im Vorfeld unter anderem Streaming-Zahlen für einen Favoritenstatus der Band, die schon seit vielen Jahren professionell im Geschäft ist und eine entsprechende Fanbase hat. Doch wohl nicht nur die Jury zweifelt daran, dass die Ballermann-Metal-Hymne "Knightclub" von Feuerschwanz auch beim ESC reüssieren kann.
Stattdessen ballern sich unter anderem Abor & Tynna ganz ohne Mitgröl-Vibes bis unter die Top Five. Ihr Ohrwurm-Song "Baller" hatte sich bereits im Halbfinale derart brachial ins Gedächtnis gehämmert, dass er ebenfalls zum engsten Favoritenkreis gezählt werden darf. Die weiteren vier Acts, über die schlussendlich das Publikum die Daumen hebt oder senkt, sind die Franz-Ferdinand-Epigonen The Great Leslie ("These Days"), das Gesichtswunder Moss Kena ("Nothing Can Stop Love") und das Stimmwunder Lyza ("Lovers On Mars") sowie Leonora ("This Bliss"), der Nico Santos attestiert, "ein bisschen Alicia-Keys-mäßig" zu sein, auch wenn sie ganz und gar blond und hellhäutig ist.
Bis der Vorhang endgültig fällt und Deutschlands ESC-Hoffnung in diesem Jahr ein für alle Mal gekürt ist, vergeht ein langer Abend. Schließlich präsentieren alle neun Acts in der Sendung nicht nur das Lied, mit dem sie beim internationalen ESC-Finale am 17. Mai in Basel antreten wollen, sondern auch noch einen Coversong - von Abbas "Waterloo" (The Great Leslie) über Ed Sheerans "I See Fire" (Feuerschwanz) bis hin zu "Angel" von Robbie Williams (Benjamin Braatz).
"Wir holen den Morgenstern raus"
Hätte Lyza ihre Version von Radioheads "Creep" in der Schweiz geschmettert, hätte sie für Catterfeld den ESC gar schon gewonnen. Doch selbstredend findet dieser Vortrag wie alle anderen Cover-Einlagen außer Konkurrenz statt, was das Geschehen an diesem Abend dann doch eher unnötig in die Länge zieht.
Ein Abend, an dem Schöneberger Conchita Wurst zudem nachsagt, es gern mal "ein bisschen schmutzig" zu mögen, ehe sie beim Auftritt von Feuerschwanz "Wir holen den Morgenstern raus" und zur emotionalen Einlage von Benjamin Braatz verspricht: "Heute werden wir es dem Stefan wieder richtig besorgen." Der wiederum offenbart, dass er sich zur Musik von Julika gut massieren lassen könnte, während er Eleonora attestiert: "Wenn du dich bewegst, dann wirkt das irgendwie gut."
Am Ende bewegt jedoch vor allem eine Präsentation die Massen - wenn auch knapper, als womöglich von vielen gedacht. Abor & Tynna erhalten 34,9 Prozent der Publikumsstimmen und "ba ba ballern" sich damit nach "Ba Ba Basel". Jedoch nur knapp dahinter landet Lyza mit 31,1 Prozent, während Moss Kena mit 22,5 Prozent den dritten Platz erobert. Abgeschlagen auf den Positionen vier und fünf endet für Eleonora und The Great Leslie der ESC-Traum.
Es bleibt bei der "Mission Platz eins"
Abor & Tynna bekommen in der Sendung mehr als einmal zu hören, dass sie nicht nur den besten, sondern auch den modernsten Song in diesem Vorentscheid in petto hätten. Seinen Auftritt hat das Geschwisterduo im Vergleich zum Halbfinale noch einmal deutlich abgewandelt - da darf Tynna zum Schluss sogar das Cello ihres Bruders zerdeppern. Ja, leiwand, Oida, möchte man da sagen - schließlich sind die beiden waschechte Wiener.
Vor "zwei, drei Jahren" hätten sie tatsächlich auch schon mal überlegt, für Österreich anzutreten, verrät Tynna auf der Pressekonferenz nach ihrem Sieg mit ihrem Bruder. Aber: "Da waren wir einfach noch nicht ready. Da hatten wir noch nicht so einen 'Baller'-Song." Zudem gebe Raab ihnen natürlich eine "Riesen-Plattform", erklärt sie, weshalb sich das Duo nun für Deutschland in die ESC-Bütt wagt.
Raab wiederum unterstreicht, dass er mit den beiden Österreichern für Deutschland in der Schweiz an seiner "Mission Platz eins" festhält. "Wenn man nicht gewinnen will, braucht man nicht hinfahren", gibt er sich weiter selbstbewusst und ergänzt: "Der Song ist wirklich sehr, sehr stark."
Da will auch Abor nicht widersprechen: "Wenn er nicht stark wäre, hätten wir ihn nicht geschrieben." Und wenn er nicht stark wäre, wäre er nicht vollkommen zu Recht gewählt worden. Ob es wirklich für den Sieg in Basel reicht, weiß wohl nur der ESC-Gott. Aber wenigstens zwölf Punkte aus Österreich sind den Piefkes doch gewiss, oder?
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