Der Podcast-Markt schien lange unersättlich zu sein. Gierig nach immer neuen Zweiergespannen mit Mitteilungsbedürfnis, die dann aber Gefahr liefen, vom nächstbesten Projekt verdrängt zu werden. Die jüngste Idee von Sophie Passmann ist vielleicht ein Zeichen dafür, dass der Markt und seine Hörer nun nach Neuem lechzen. Denn Passmann – die schon einen „Zeit“-Podcast und einen Laberpodcast mit Joko Winterscheidt co-moderierte – traut sich eine Innovation: Sie labert einfach allein.
Kein hipper junger Medienmensch sitzt ihr gegenüber, kein älterer weiser Zeitungsmann und auch kein top-aktueller Gast mit Buchneuerscheinung. Nicht einmal die Themen sind aktuell, sondern einfach danach gewählt, was Passmann gerade interessiert: zwischen Popkultur, Filmen und Thermomix. So bespricht sie den Kinofilm „The Substance“ ein Jahr nach Erscheinen und das noch ältere letzte Album von Billie Eilish. Nicht die Welt, sondern Passmann diktiert hier die Nachrichtenlage.
Um dieses Maß an Selbstdarstellung zu brechen, legen Passmann und ihr Team noch eins drauf und nennen die Neuschöpfung: „Der Sophie Passmann Podcast“. Die Überbetonung ihrer Person soll noch dem letzten Hirni klarmachen, dass sich Passmann der narzisstischen Pose bewusst ist. Zusätzlich wird der Podcast – wie inzwischen üblich – auch als Video-Format für YouTube aufgenommen. Damit ist nicht nur Passmanns Stimme allein, sondern auch ihre Person in einem Studioset, das mit Fax-Gerät, gelbem Klebezettelstapel und grauem Telefon in 1990er-Jahre-Büro-Ästhetik eingerichtet ist.
Es ist eine Retro-Hommage, die an das „ZDF Magazin Royale“ erinnert. Ähnlich wie die manchmal arg nach Berlin-Mitte-Influencer klingende Hyperironie Passmanns. Wenn sie etwa betont, dass das, was sie hier macht, „echter Feuilleton-Shit“ ist, und wie krass das jetzt wird, dass sie Susan Sontag zitiert, wirkt der Humor doch etwas abgestanden.
Dieser Hang zur Persiflage setzt sich auch in Passmanns Outfits fort. In der ersten Folge trägt sie ein Ensemble aus weißem Hemd, schwarzer Weste und roter Krawatte, das an den 1960er-Jahre-Look der Serie „Mad Men“ erinnert. Auch im Trailer gibt sie sich gediegen im braunen Kostüm mit Bleistiftrock. Doch schon in der zweiten Folge packt sie den grauen Hoodie aus. Stil und Set sollen kumpeligen Hipster-Chic vermitteln und trotzdem in den Vordergrund rücken, dass es hier um willkürliche Launen geht.
Nun kann man kulturpessimistisch darin das Ende unserer Dialogbereitschaft, der aufklärerischen Gegenfrage und das endgültige Versumpfen in der individualistischen Instagram-Eitelkeit sehen. Oder ängstlich monieren, dass die subjektiven Empfindlichkeiten endgültig über ein Weltendrängen gesiegt haben, die stylishe Identifikationsperson über den Kampf der Ideen triumphiert.
Wer eine Bühne allein füllen kann, hat sie sich verdient
Doch das ist Quatsch. Sophie Passmann hat sich nur getraut, was als nächster Podcast-Schritt längst überfällig war und andere wohl längst gemacht hätten, würde das Label Narzisst nicht durch alle Social-Media-Kanäle geistern. Wer eloquent und witzig ist wie Passmann und das Charisma hat, einen Raum allein zu unterhalten, hat eine Plattform verdient. Stand-up-Comedians machen seit Jahren nichts anderes, als sich allein auf eine Bühne zu stellen und über ihre Befindlichkeiten zu philosophieren – was sie, wenn sie gut sind, mit dem großen Ganzen verweben.
Nun ist Sophie Passmann keine Stand-up-Komikerin, die monatelang an ihrem Material arbeitet. Doch tun das die anderen Laberpodcasts ebenso wenig. Das ist auch nicht ihr Anspruch. Bei Passmann wird die mangelnde Vorbereitung als Prise Authentizitäts-Charme inszeniert. So befragt sie etwa ChatGPT nach den Namen der Hauptfiguren in dem Film, den sie bespricht.
Auch Labern ist eine Kunst, und es allein zu tun vielleicht sogar die höhere. Eine Stunde gut zu unterhalten, wenn auch zu alten Themen, dann doch mit neuen Beobachtungen, verdient eine Bühne. Die Inhaltsangaben von Serien und Filmen mögen etwas lang sein. Doch ihre Gedanken wie etwa, dass sich der „White Lotus“-Regisseur Mike White mit einer neuen Titelmelodie an seinem eigenen Hype rächen wollte, sind neu und interessant.
Passmanns Stream of Consciousness ist vielleicht sogar ehrlicher als all die üblichen Podcasts von Zwiegesprächen. Wie beim Tagebuchschreiben gelangt man allein und ohne Unterbrechung manchmal an Orte, die man mit anderen nicht erreicht. Nun widerspricht sich auch Passmann in bestimmten Thesen und macht manch fragwürdige Analyse. Doch ist es den Zuhörern zuzutrauen, gedanklich ihre eigene Widerrede anzustimmen.
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