Es gab mal einen „Tatort“-Kommissar, der hat nach seiner Ermittlerkarriere eine Sternenküchenlehre gemacht. Und ein Buch geschrieben darüber. „Kochen ist Krieg“ hieß das Buch. Gregor Weber hieß der Mann, der in Saarbrücken der Kommissar Stefan Deininger war, der es nie zum Chef brachte und erst Jochen Senfs Max Palu und dann – besondere Schmach für einen von der Saar – Maximilian Brückners bayerischem Tubaspieler Franz Kappl als Assistent diente.

Weber ist auch bekennender Reservist. Kennt sich also mit Krieg und dem Dienst an der Waffe aus, dem zumindest in seiner Zeit auf der Walz durch das kulinarische Deutschland die Arbeit in der Küche glich. Das kriminelle Potential des mörderischen Ringens um den perfekten Teller ist natürlich auch abseits von „Kochen ist Krieg“ nicht unbemerkt geblieben.

Die österreichische Krimipreisträgerin Eva Rossmann hat es – bei und nach Recherchen für ihren Roman „Ausgekocht“ im Gasthaus „Zur Alten Schule“ von Haubenkoch Manfred Buchinger – zur diplomierten Köchin gebracht. Sie weiß, wie blutig das Geschäft ist.

Man wollte nach „Ausgekocht“ und Rossmanns anderen blutig angerichteten Cuisine-Geschichten („Fine Dying“ heißt ein anderer Kochkrimi) eher nicht mehr in die gehobene Gastronomie. Weil man halt weiß, dass auf der anderen Seite des Tresens ein martialisches Treiben herrscht, das man eigentlich nicht mit seinen Ordern befeuern möchte.

Nicht zufällig heißt die Truppe da Brigade. An Pfanne und Topf werden nicht nur Hühner und Fische filetiert. Wer Chef werden will, muss skrupellos Bataillone anführen können. Und keine Rücksicht auf Lebern und Leben nehmen. Die eigenen nicht und nicht die der anderen.

Gesund ist das natürlich nicht. Johann Lafer zum Beispiel lebt vielleicht nur deshalb noch, weil er sich konsequent aus dem Kriegsgebiet zurückgezogen hat und nicht mehr viel von dem isst und trinkt, was auf den Veranstaltungen ausgetragen wird, deren Catering er betreut.

Leberkässemmeln im Knast

Der Abschweif war lang, aber wichtig für „Messer“. Das ist der neue Fall für Bibi Fellner und Moritz Eisner. Die gehen miteinander um wie ein altes Ehepaar. Würden sie gemeinsam essen gehen, was sie ganz selten tun, würden sie dasitzen wie das Paar in Kästners „Sachlicher Romanze“, dem die Liebe abhanden kam.

Mit Leberkäsesemmeln (inklusive Salzgurke) im Knast geht es los. Die Bibi ist am Ende. Ihre Seele hat Schaden genommen durch das, was sie da im Fernsehen tut. Vor Leichen stehen, Mörder jagen, immer zu spät sein. Sie will weg. Zum Betrug vielleicht. Da fließt kein Blut.

Die Semmeln hat sie dem Inkasso-Heinzi mitgebracht, dem Ultimativ-Strizzi, den Simon Schwarz so derart leichthändig hinironisiert, dass sie ihn beim ORF unter Naturschutz stellen sollten. Sie veranstalten eine Art Supervision. Die Bibi soll sich Zeit lassen, auch wenn der Moritz nicht versteht, was in Bibi vorgeht. Sagt der Inkasso-Heinzi.

Viel Zeit bleibt nicht. Es gibt eine Leiche. Und jetzt kommen wir endlich an in der Gastronomie. Darum geht es eigentlich. Und warum es zwischendurch immer wieder um die Bibi und den Moritz geht, die sich nun endlich mal ihre Liebe gestehen sollen, versteht selbst am Ende kein Mensch mehr. Das lenkt nur ab.

Und ist ein ganz schlechtes Zeichen dafür, dass Sarah Wassermair all dem am Ende nicht getraut hat, was sie für ihr Drehbuch sehr fein zusammenrecherchiert hat (oder waren es wieder einmal die Redakteure, die auf der Moritz-und-Bibi-Romance beharrten?). Was immer man in „Messer“ sieht vor und in den Kulissen der Spitzengastronomie lässt sich belegen.

Ein Sternekoch liegt vor seinem Haus in seinem Blut zwischen Müllcontainern (das setzt sich anscheinend als Leichenablageort fest im Fernsehen, da lag in Münster schon der Tote am vergangenen Sonntag). Der Mann hieß André Brauer, war Sternekoch. „Efeukron“ hieß sein Lokal.

Wunden auf die Herdplatte

Und Brauer führte sein Unternehmen, wie man das eben inzwischen kennt (und es, sagen jedenfalls Menschen, die sich auskennen, seit Corona und der großen Personalkrise nicht mehr ganz ist). Mit Drogen, Druck und sexueller Belästigung. Vor Brauer war keine Frau sicher. Wen er heute protegierte, konnte er morgen fallen lassen.

Es gibt jedenfalls mehr Verdächtige als es versehrte Finger an den Händen derjenigen, die sich von einer Beschäftigung in der „Efeukron“ einen Karriereschub versprechen. Man erfährt Fürchterliches über die Behandlung von Schnittwunden (Pflaster sind überbewertet, ausbrennen auf der Herdplatte geht ja auch). Und überhaupt fängt man in Gedanken an, lieber selbst zu Pfannenwender und Kochlöffel zu greifen, als diesen tödliche und erzkapitalistische (Selbst-)Ausbeutungsbetrieb mit seinen schönen Spesen zu befeuern.

„Messer“ hätte insgesamt die Ausschnittsvergrößerung eines Soziotops werden können. Was Gerald Liegel aus dem Buch gemacht hat, sieht sehr cool aus, ist schön geschnitten und jeder spielt mit dem Druck, den alle am Herd sich gegenseitig machen. Besonders schick ist es, wie die Kamera aus dem Kommissariat immer wieder in die Küche wechselt, die Figuren versetzt. Leider wird viel zu viel von dem erklärt, was man sich möglicherweise denken könnte.

Und da sind ja noch die Bibi und der Moritz. Die stehen sowohl dem Mörder-Menü als auch sich selbst im Weg herum. So gern man sie hat. Man möchte sie verscheuchen. Nur den Inkasso-Heinzi – den möchte man freilassen. Sofort. Würde ihm sogar ein Dutzend Leberkäs-Semmeln mit Salzgurke schicken lassen. Das geht vermutlich sogar online.

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