Nicht die grossen Favoriten, sondern der Underdog räumt bei der diesjährigen Oscar-Verleihung ab. «Anora», der Film von Regisseur Sean Baker, war sechsmal nominiert, gewinnt fünfmal. Sogar in der Königskategorie «bester Film».

«Pretty Woman», aber besser

«Anora» erzählt die Geschichte einer New Yorker Sexarbeiterin, die den Sohn eines russischen Oligarchen heiratet. «Es ist eine Art Anti-‹Pretty Woman›-Geschichte», sagt SRF-Filmexperte Enno Reins. Aber ohne kitschiges Happy End. Uraufgeführt wurde der Film letztes Jahr auf den Filmfestspielen von Cannes.

Der 53-jährige Sean Baker schrieb, produzierte und führte Regie für den Abräumer des Abends – eine Seltenheit, da Regisseure ihre Filme normalerweise nicht selbst schneiden. Baker ist der erste Preisträger, der persönlich mit vier Oscars für den gleichen Film ausgezeichnet wird.

Newcomerin versus Ikone

Gespielt wird die selbstbewusste Stripperin von Mikey Madison. Die 25-Jährige räumt ab als beste Hauptdarstellerin – überraschend. Man hätte eher mit der Ikone Demi Moore («The Substance») gerechnet, die mit 62 zum ersten Mal nominiert war.

Legende: Mikey Madison zeigt sichtlich erfreut über ihren ersten Oscar als «Beste Hauptdarstellerin». IMAGO / UPI Photo

In ihrer Dankesrede ehrt Madison «die Arbeit aller Sexarbeiterinnen. Ich werde euch weiterhin unterstützen und eine Verbündete sein».

Kein Big Budget-Spektakel

Erstaunlich ist auch, dass ein kleiner Independent-Film wie «Anora» derart abräumte. Der Film wurde für sechs Millionen Dollar gedreht, eine winzige Summe für Hollywood-Standards. «Es lebe der Indie-Film», sagt Regisseur Sean Baker nach der letzten Auszeichnung.

Drei Oscars gingen zudem an das Drama «The Brutalist» über einen jüdischen Architekten, der sich nach dem Holocaust ein neues Leben in den USA aufbauen will. Hauptdarsteller Adrien Brody gewann für die Rolle seinen zweiten Oscar.

Viel Trubel, wenig Oscars

«Es war das grosse Favoritensterben!», kommentiert SRF-Filmredaktor Enno Reins die diesjährige Oscar-Verleihung. Kassenschlager «Wicked» war zehnmal nominiert, wurde aber lediglich zweimal ausgezeichnet.

Die Oscar-Looks zum Hinschauen

«Emilia Pérez» war mit 13 Nominierungen ins Rennen gegangen, galt aber nach Vorabkontroversen um seine Hauptdarstellerin Karla Sofía Gascón nicht mehr als Favoritin. Letztlich gewann der Film zwei Oscars: für Zoë Saldaña als beste Nebendarstellerin und «El Mal» als besten Originalsong.

Kein Oscar für die Schweiz

Die Schweizer Hoffnung aus Basel, der Regisseur Tim Fehlbaum, ging leider leer aus. Sein Film «September 5» über das Olympia-Attentat 1972 in München unterlag in der Kategorie «Bestes Originaldrehbuch» dem grossen Gewinner «Anora»

«Conclave» des österreichisch-schweizerischen Regisseurs Edward Berger wurde mit dem Preis für das beste adaptierte Drehbuch geehrt.  

Ein Hauch von Politik

Obwohl einige Filme kontroverse Themen wie Migration, Antisemitismus und Rechte von trans Menschen aufgriffen, blieb die Veranstaltung – mit wenigen Ausnahmen – weitgehend unpolitisch.

Hollywood zeigt Haltung

Für Aufsehen sorgte die Dankesrede von Yuval Abraham und Basel Adra. Ihr Dokumentarfilm «No Other Land» zeigt die Zerstörung der Gemeinde Masafer Yatta im besetzten Westjordanland durch israelische Soldaten. Co-Regisseur Basel Adra sagte, er sei vor kurzem Vater geworden und hoffe, dass das Leben seiner Tochter nicht so sein würde wie das seine – «immer in der Angst vor Gewalt, Hauszerstörungen und Zwangsvertreibung».

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke