Amsterdam feiert in diesem Jahr seinen 750. Geburtstag, und das künstlerisch wertvollste Präsent erhält die niederländische Hauptstadt aus den USA. Aus dem Besitz eines einzigen Sammlers! Das H’ART Museum, in einem 1683 als Frauen-Altersheim direkt am Fluss Amstel errichteten Gebäude, präsentiert seit dieser Woche 75 Gemälde der Großmeister des sogenannten goldenen 17. Jahrhunderts. Was als Begriff inzwischen in den Niederlanden verpönt ist, weil der Gulden damals auch dank des Sklavenhandels so prächtig rollte.
An den Ausstellungswänden hängen 18 Bilder allein von dem Malerstar des niederländischen Barock Rembrandt van Rijn und eines von Johannes Vermeer, dessen Werke im Kunsthandel heute noch seltener auftauchen als eine Blaue Mauritius. Leiden Collection nennt sich die weltweit einzigartige Privatsammlung nach dem Universitätsstädtchen Leiden, in dem Rembrandt 1606 geboren wurde. Und der Amerikaner Thomas Scott Kaplan ist ihr sehr stolzer Besitzer. Seine Schätze verleiht er zum Stadtjubiläum mit Begeisterung: „Ich fühle mich als Sohn Amsterdams.“
Wie kann es sein, dass ein einzelner Mann in etwa so viele Rembrandt-Bilder besitzt wie die Berliner Gemäldegalerie, das an Rembrandts reichste Museum Deutschlands? „Sehr gute Frage“, kontert der New Yorker Milliardär gegenüber WELT AM SONNTAG, als habe er darauf nur gewartet.
„Es ist eine Kombination von drei Gründen. Leidenschaft! Ich liebe Rembrandt, seit ich mit sechs Jahren zum ersten Mal mit meiner Mutter das New Yorker Metropolitan Museum besucht habe. Dann hatte ich das Glück des richtigen Moments. Der Zeitgeist“, das Wort spricht Kaplan auf Deutsch aus, „war moderne und zeitgenössische Kunst.“ Also habe er seit 2003 eine Altmeistersammlung aufbauen können, „was ich mir nie habe träumen lassen“.
Stets der beste Freund der Kunsthändler
Im Kunstmarkt gibt es eine Faustregel: Für den Preis eines Rothkos bekommt man drei Rembrandts – was Freunden der Alten Meister als purer Frevel erscheint. Den dritten Grund nennt Kaplan nebenbei: „Und ich hatte das Kapital.“ Oh ja! Mit Rohstoffen und Bodenschätzen, besonders Gold und Silber, machte der heute 62-jährige Unternehmer sein Geld. So verkaufte er laut dem Wirtschaftsmagazin „Forbes“ im Jahr 2007 Gasfelder für 2,55 Milliarden Dollar.
Kaplan aber schmunzelt: „Ich war jahrelang der beste Freund der Kunsthändler. Wir hatten eine Vereinbarung: Sie zeigten mir als Erstem, was für meine Sammlung infrage kommen könnte. Entweder habe ich sehr schnell Ja gesagt und nach kurzen Verhandlungen zugeschlagen, oder sie konnten an jemand anderen verkaufen.“
Sein erstes Bildchen, im wahrsten Sinne des Wortes mit Maßen nur 10,2 mal 8,2 Zentimetern, ist ein ovales Porträt des Leidener Feinmalers und frühen Rembrandt-Schülers Gerard Dou. „Ein Gemälde ist ein Unfall, zwei Gemälde sind eine Sammlung“, kalauert Kaplan. Es wurden 220 Bilder. Bisher. Seine Kaufwut mit manchmal einer Erwerbung pro Woche habe aber inzwischen etwas nachgelassen.
„Ich bin jedoch offen, wenn es wieder etwas Interessantes auf dem Markt gibt“, sagt er. Zum Beispiel? Der einzige verschollene Teil von Rembrandts Fünf-Sinne-Serie: Die Allegorie des Riechens, des Fühlens und des Hörens gehören Kaplan bereits. Die Allegorie des Sehens besitzt das Museum in Leiden. Keiner weiß, wo der Geschmackssinn abgeblieben ist und wie er überhaupt aussieht.
Wurde schon einmal probiert, dem Milliardär einen „falschen“ Rembrandt anzudrehen? „Nein, Fälschungen nicht“, sagt er. „Natürlich gab es Bilder von Leuten, die glaubten, sie hätten einen echten Rembrandt, der keiner war. Ja, vielleicht einmal in zwanzig Jahren ist mir das mit einem Händler passiert, den ich nicht als seriös betrachte.“ Er habe jedoch nur „bei angesehenen Händlern gekauft“.
Und was für Trophäen! Die voluminöse „Minerva“ in goldbesetztem Umhang, die Göttin der Weisheit, des Kriegs, des Friedens und Beschützerin der Kunst. 1635 auf dem Weg zum Amsterdamer Superstar hat Rembrandt sie geschaffen. „Sein wichtigstes Gemälde in Privatbesitz“, behauptet Kaplan.
Oder die einzige Zeichnung in der Ausstellung. Ein Löwe, der ruht und doch mit wachem Blick in die Beute-Welt schaut. Dazu muss man wissen: Thomas Kaplan liebt auch Katzen in allen Varianten und hat mit seiner Ehefrau Daphne Recanati eine Organisation zum Schutz von Großkatzen gegründet. Bevor er zur Eröffnung in Amsterdam landete, hatte er sich in Indien noch Löwen angeschaut.
Sein erster Rembrandt-Einkauf ist die Studie einer Frau – vermutlich einer Magd – mit weißer Haube. Sie entstand nur wenige hundert Meter entfernt vom Museum im Atelier des Malers, dem heutigen Rembrandt-Haus. Ergreifend ist auch ein Spätwerk: eine ältere Frau mit tiefen, grob gepinselten Gesichtszügen, die ihre faltigen Hände übereinanderlegt und am Betrachter weit vorbeischaut.
Ihrem Ende entgegen? Kaplan verrät: „Als ich die Leinwand zum ersten Mal in Händen hielt, habe ich sie geküsst.“ Hat die Frau den Kuss erwidert? Er lacht schallend: „Wenn ich glauben würde, ein Gemälde küsst zurück, sollte ich besser mit dem Sammeln aufhören.“
Ein Vermeer aus Las Vegas
Seine Spitzentrophäe stammt von der Hand des rätselhaften Johannes Vermeer aus Delft. Nur 37 Werke werden dem Maler nach heutigem Stand zugeschrieben. Eines davon – und das letzte in privatem Eigentum – ist „Die junge Frau am Virginal“, um das Jahr 1670 nach dem klassischen Vermeer-Schema gemalt: ein Innenraum, eine Person, Licht von links und eine Stofflichkeit, die zum Greifen plastisch wirkt.
Kaplan kaufte das Bild dem Hotelmagnaten Steven Wynn in Las Vegas ab: „Ihm ging es während der Finanzkrise nicht so besonders gut. Ich wollte eigentlich nur sein Rembrandt-Selbstporträt. Er fragte: Willst du nicht auch den Vermeer?“ Die kleine Leinwand, die bereits 2023 in der Vermeer-Ausstellung in Amsterdam bewundert werden konnte, bekam jetzt eine restauratorische Auffrischung. Befreit von kleineren Übermalungen erstrahlt sie noch etwas heller.
In Kaplans Sammlung finden sich aber nicht nur Rembrandt und Vermeer. Auch der schmissige Impressionisten-Vorläufer Frans Hals ist dabei. Der Rembrandt-Jugendfreund und Rivale Jan Lievens. Der humorvolle Volksmaler Jan Steen und der Kerzenschein-Spezialist Godfried Schalcken. Alle sind nun auf Heimatbesuch in Holland.
Die Ausstellung ausgerechnet in diesem Museum besitzt zusätzlich eine politische Dimension. Was heute H’ART heißt, wurde 2009 von der damaligen Königin Beatrix und dem russischen Präsidenten Medwedew als Hermitage Amsterdam eröffnet, als Partnerhaus der Sankt Petersburger Eremitage. Doch Russland führt seit 2022 einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine, Medwedew fantasiert von der Zerstörung Westeuropas.
Das nicht-staatliche Museum hat schnell und konsequent entschieden, die Russland-Beziehung zu beenden und sich in H’ART Museum umzubenennen. Das Wort „art“ kombiniert mit einem H. Als harte Erinnerung an die einstige Hermitage?
Andere niederländische Museen halfen in der ersten schweren Russland-losen-Phase mit Leihgaben. Neue Partner sind jetzt das Centre Pompidou in Paris, das British Museum in London, das Smithsonian American Art Museum in Washington. Aus Deutschland kam leider keine Hilfe. Dafür nun umso mehr von einem amerikanischen Katzen- und Rembrandt-Fan. H’ART-Direktorin Annabelle Birnie erzählt: „Ich saß mit der Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema und Thomas Kaplan beim Mittagessen, als die Idee einer Ausstellung zum Stadtjubiläum mit seiner Sammlung auf den Tisch kam. Und er sagte sofort: Ja.“
Bühne frei für den Künstler
Bei der Frage, von welchem Maler er sich am liebsten hätte porträtieren lassen, muss Kaplan dann ein bisschen überlegen. Er landet doch wieder bei seinem Liebling: „Das Bild, das Rembrandt von dem Amsterdamer Kaufmann Jan Six gemalt hat, ist für mich das beste Porträt der Kunstgeschichte. Der Rembrandt in seiner mittleren Phase, von ihm würde ich mich am liebsten malen lassen.“
Aber zurück zu ernsten Fragen: Weiß er, was seine Kunst wert ist? Wie viele hundert Millionen Dollar? Er schmunzelt: „Wahrscheinlich weiß ich es.“ Und schweigt zur Summe. Warum heißt es nicht „Kaplan Collection“? Die meisten Sammlungen sind schließlich nach ihren Gründern benannt. „Ach!“, kommt die Antwort, „man ist doch kein Genie, wenn man einen Rembrandt kauft. Man ist ein Genie, wenn man Rembrandt ist. Dem Künstler gehört die Bühne.“
Ist Kaplan wirklich so uneitel oder kokettiert er damit? Man spürt, wie er die Bewunderung und den Trubel um seine Werke genießt. „Sie werden es nicht glauben! Ich sehe hier zum ersten Mal alle meine Rembrandts zusammen. Sie sind immer getrennt voneinander unterwegs, verliehen in alle Welt. Wir wollen, dass die Menschen sie überall sehen können.“
Die Leiden Collection sei nicht fürs Wohnzimmer gedacht, da hänge kein einziges Gemälde aus der Sammlung. Sondern? Die Antwort überrascht: Was die Schwiegermutter so malt! Mira Recanati ist eine prominente israelische Künstlerin, die in verschiedenen Stilen von abstrakt bis gegenständlich unterwegs ist. Und das im Haus des bedeutendsten Rembrandt-Sammlers der Welt.
„Von Rembrandt zu Vermeer“, bis 24. August 2025, H’ART Museum, Amsterdam
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