Die 1954 gegründete Zeitschrift „Brigitte“ hat gleich mehrere Generationen von Frauen begleitet. Progressiv genug, um lange Artikel über Themen wie Gleichstellung und Karriere, sexualisierte Gewalt gegen Mädchen und eine Forderung zur Abschaffung des Paragrafen 218 (bereits 1971!) zu veröffentlichen. Aber auch angepasst genug, um viele Kochrezepte und Mode-Strecken zu veröffentlichen. Beides passte in „Brigitte“ zusammen – und war wirtschaftlich erfolgreich, denn es kamen viele Ableger des Titels dazu, etwa „Brigitte Woman“ oder „Brigitte Young Miss“.
2010 startete „Brigitte“ eine Kampagne „Ohne Models“, für eine Weile produzierte man Modefotos ohne professionelle Models. Bereits 2012 wurde diese Praxis wieder einkassiert, auch weil sich manche Leserinnen offenbar von den „normalen“ Frauen, die auch als Models hätten durchgehen können, unter Druck gesetzt fühlten. Aber wie auch immer – „Brigitte“ war und blieb eine Art Goldstandard der Frauenzeitschrift. Die Anfänge des Blatts gehen noch weiter zurück als bis 1954, bis zu einem Blatt für Hausfrauen, das Ende des 19. Jahrhunderts erschien.
Der Verlag Gruner + Jahr (G+J), der „Brigitte“ seit seiner Gründung 1965 verlegte, gibt die Zeitschrift nun ab, an die Funke Mediengruppe in Essen, zu der u.a. die Tageszeitungen „WAZ“ und „Hamburger Abendblatt“ gehören. Mit im Paket sind die ebenfalls bekannten Titel „Eltern“ und „Gala“. Alle drei Magazine gehörten zu den Aushängeschildern von G+J. Doch jetzt ist der einst große internationale Zeitschriftenverlag endgültig entkernt.
Hintergrund des Verkaufs ist die Konzernstrategie des Medienunternehmens Bertelsmann. G+J war eine eigenständige Bertelsmann-Tochter, wurde aber 2022 unter das Dach der ebenfalls zum Konzern gehörenden Fernsehgruppe RTL gesteckt. Von zahlreichen internationalen Dependancen in Europa bis hin zu den USA, China und Russland hatte sich G+J bereits vorher verabschiedet. Schon vor drei Jahren wurden eine Reihe von Titeln eingestellt (u.a. das Grillmagazin „Beef“ und die Schöneberger-Illustrierte „Barbara“) oder verkauft (u.a. das Fußballmagazin „11 Freunde“ und die Wissens-Zeitschrift „P.M.“).
Die verkaufte Auflage von „Brigitte“ liegt derzeit bei rund 203.000 Exemplaren pro Ausgabe, gut 125.000 Exemplare sind es bei „Gala“ – Tendenz sinkend, aber das ist ein marktüblicher Trend.
Das Flaggschiff „Stern“, die Reportagezeitschrift „Geo“ und das Wirtschaftsmagazin „Capital“ kamen derweil nicht wie die restlichen Titel in eine RTL-Tochterfirma, sondern direkt bei RTL Deutschland unter. Hier gab und gibt es eine Bestandsgarantie, insbesondere der „Stern“ gehört zur publizistischen Kernstrategie von RTL beziehungsweise Bertelsmann – muss aber auch vor allem als digitales Geschäftsmodell funktionieren, also etwa Digital-Abonnenten gewinnen.
Für „Brigitte“, „Gala“ und „Eltern“ gibt es bei RTL nun offenbar keine ausreichende Energie mehr – was auch heißt, dass aus deren Marken beispielsweise keine gut funktionierenden TV-Sendungen gemacht werden konnten. Wobei – Ausnahme – „Gala“ einen Fernseh-Ableger hat. Unterm Strich reicht es aber nicht mehr für die Titel.
Was nicht bedeutet, dass es für die Titel überhaupt nicht mehr klappt. Bertelsmann verfolgt eine im Markt nicht unübliche „Best Owner“-Strategie. Was nichts anderes bedeutet, als dass der Verkäufer dem Käufer, also der Funke Mediengruppe, eher zutraut, die Titel profitabel zu führen. Denn: Funke verfügt bereits über zahlreiche Zeitschriftentitel, die am Kiosk verkauft werden. Darunter auch solche, die vor inzwischen elf Jahren von dem Verlag Axel Springer, zu dem auch WELT gehört, an den Essener Verlag verkauft wurden, zum Beispiel „Bild der Frau“, „Hörzu“ und „TV Digital“. Die 300 Mitarbeiter der nun verkauften Titel sollen von Funke übernommen werden.
Die Landschaft der privat geführten Verlage verändert sich damit weiter. Neben den immer noch zahlreichen Regionalzeitungsverlagen, bei denen es aber auch schon Konzentrationseffekte durch Verkäufe gibt, sinkt die Zahl der Zeitschriftenverlage mit einem breiten Portfolio unterschiedlicher Titel. Denn je mehr Titel ein Verlag in ähnlichen Segmenten hat, wie etwa Frauenzeitschriften oder TV-Programmtitel, desto kostengünstiger lassen sich diese Titel auch produzieren, beispielsweise in Redaktionen, die gleich für mehrere Titel verantwortlich sind.
RTL konzentriert sich derweil auf Bewegtbilder. In einer Mitteilung wird die „Shine 2030“-Strategie als „Entwicklung vom klassischen linearen Geschäft hin zu Streaming- und Paid-Modellen mit Videocontent als Kernelement“. Was nichts anderes bedeutet, dass die Erlöse mit dem klassischen Fernsehen über Werbung unter Druck steht – private Fernsehsender setzen längst auf digitale Geschäftsmodelle mit eigenen Streamingplattformen.
Der Medienexperte Thomas Koch nannte den Verkauf in einem Posting auf der Plattform LinkedIn einen „ganz schwarzen Tag für die Medienwelt, für Print, für die Medienvielfalt …“. Koch meint: „Das Signal, das RTL hiermit in den Markt schickt, ist toxisch: Wir glauben nicht mehr an Print, Print macht keinen Spaß, Print hat keine Zukunft. Schlimmer noch: Wir glauben nicht an die Kraft von Marken (wie Brigitte).“
WELT-Medienredakteur Christian Meier hat die Geschichte und Geschicke beim Verlag Gruner + Jahr über viele Jahre verfolgt.
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