Regisseurin und Drehbuchautorin Christine Ebelt möchte in ihrem "Tatort"-Debüt der aktuellen Weltlage einen Spiegel vorhalten. Das geht dermaßen schief, wie unser Autor es in der an qualitativ fragwürdigen "Tatorten" nicht gerade armen Geschichte so noch nie gesehen hat.

"Uncanny Valley" nennen Experten das mulmige Gefühl, das Roboter und künstliche Intelligenzen mit humanoidem Erscheinungsbild bei echten Menschen auslösen. Es entsteht, wenn oberflächlich betrachtet alles okay aussieht, man aber einfach dieses Gefühl nicht loswird, dass irgendetwas nicht ganz richtig ist. So wie im neuen "Tatort" aus dem Schwarzwald: Wüssten wir es nicht besser, wir würden vermuten, dass die Protagonisten allesamt dem Fiebertraum einer Video-KI entsprungen sind.

Nur so nämlich ließe sich die Entstehung von Szenen wie dieser einigermaßen schlüssig erklären: Kommissarin Tobler (Eva Löbau) folgt einem verdächtigen Arzt, den sie für hochgefährlich hält, durch die Nacht bis zu einer einsamen Hütte mitten im Wald. Weil sie wissen möchte, was in der Hütte passiert, klopft sie an ein Fenster. Der Arzt öffnet völlig unbeeindruckt ob des mitternächtlichen Besuchs die Tür, Tobler fragt: "Hallo, dürfte ich mal Ihre Toilette benutzen?" Der Arzt zeigt ihr anstandslos und ohne Gegenfrage den Weg. Die Kommissarin schließt die Tür und gießt Rohrreiniger in die Schüssel. Draußen klirrt es, Tobler spurtet vor die Hütte, um den vermeintlich flüchtigen Arzt zu stellen. Dem ist aber nur etwas runtergefallen. Beide finden das alles völlig normal und reden unbeschwert über andere Dinge.

In "Die große Angst" wimmelt es von solchen Szenen, mehr noch: Der Film IST eine 90 Minuten lange Abfolge von bizarren und surrealen Anschlussfehlern, Plot-Löchern und völlig irren Drehbuchanweisungen, die das Ziel zu scheinen haben, möglichst weit entfernt von jeder natürlichen menschlichen Reaktion zu liegen. Wäre das beabsichtigt, die Sache hätte ohne Frage einen gewissen Reiz. Tatsächlich aber spricht vieles dafür, dass Christine Ebelt, Drehbuchautorin und Regisseurin in Personalunion, ihr "Tatort"-Debüt sehr ernst genommen hat und versuchen wollte, der aufgeheizten und nervösen Grundstimmung unserer Gegenwart einen Spiegel vorzuhalten.

Die grausame Wahrheit

Das aber eben leider mit dem Holzhammer, was konkret bedeutet:

· Die Überhitzung der Gesellschaft wird durch Hitze im Schwarzwald symbolisiert. Und weil in den Trainingsdaten der Ebelt-KI steht, dass bei Hitze besonders viel getrunken werden muss, muss in jeder Szene mindestens ein Protagonist H2O in auskömmlichen Mengen zu sich nehmen. Hilft ja auch gegen Schusswunden.

· Wer Angst hat und nervös ist, streitet sich viel und schreit laut. Gerne aus heiterem Himmel und ohne Grund.

· Von ihrem Wesen her eher ruhig angelegte Charaktere müssen stattdessen kopflos durch die Gegend rennen, um ihrer Überspanntheit Ausdruck zu verleihen - auch und vor allem dann, wenn es überhaupt keinen Sinn ergibt. So wie die arme Kommissarin Tobler.

· Dialoge dürfen keinen oder nur wenig Sinn ergeben und müssen mindestens aus dem Zusammenhang gerissen sein, um die schwerwiegenden Folgen von Filterblasen zu unterstreichen.

· Ein wütender Mob hat noch keiner Geschichte geschadet.

Dass wir die Liste noch lange so weiterführen könnten, ist keine journalistische Übertreibung, sondern die mehr oder weniger grausame Wahrheit. Das Ergebnis ist ein Film, der seinen Zuschauern genau zwei Optionen lässt: bestürzt die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen und die Checkliste für den Untergang des Abendlandes um den ARD-Sonntagskrimi zu erweitern. Oder ein Getränk der Wahl zu entkorken und mit dem oder den Lieblingsmenschen darauf zu wetten, welche irre Abzweigung die KI wohl in der nächsten Szene nehmen wird.

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