Seit jeher wird Pamela Anderson belächelt. Mit ihrer beeindruckenden Performance in "The Last Showgirl" beweist sie nun aber, dass sie mehr ist als nur ein 90s-Sexsymbol. Eine Geschichte über eine Vegas-Tänzerin, die sich hartnäckig an ihre Vergangenheit klammert.
Die 2020er sind das Jahrzehnt der unterbewerteten Schauspielerinnen. Man blicke etwa auf Jennifer Coolige, die seit dem Beginn ihrer Karriere auf Comedy-Rollen wie in "American Pie" oder "Natürlich blond" reduziert wurde, bevor sie mit "The White Lotus" (2021) als Schauspielerin in einem Drama mehrere Preise wie einen Golden Globe, einen Emmy und einen SAG Award gewann. Oder auf Michelle Yeoh, die in Asien schon lange ein Superstar war, aber erst 2023 für "Everything Everywhere All at Once" einen Oscar als beste Hauptdarstellerin und den Respekt bekam, den sie verdient.
Auch Demi Moore überzeugte im Beauty-Horrorfilm "The Substance" mit ihrer mutigen Performance und wurde kürzlich erstmals als beste Hauptdarstellerin mit einem Golden Globe ausgezeichnet. Bei den Oscars ging sie dann aber entgegen aller Erwartungen leer aus, obwohl ihre Darstellung als toxische Version ihrer selbst eine der beeindruckendsten Leistungen des Jahres war.
Nun ergeht es Pamela Anderson mit "The Last Showgirl" ähnlich: Eine Performance, die überrascht, ein Imagewandel, der überzeugt - und doch wird sie - zumindest was Preise angeht - vermutlich nicht die Anerkennung bekommen, die sie verdient.
Seit mehr als 30 Jahren tanzt Shelley (Anderson) bereits im "The Razzle Dazzle", als sie erfährt, dass die zunehmend unbeliebte Vegas-Show abgesetzt wird. Für ihre deutlich jüngeren Kolleginnen Jodie (Kiernan Shipka) und Marianne (Brenda Song) bedeutet die Kündigung ein Sprungbrett in andere Karrieren, für Shelley jedoch das Ende ihrer Welt. Sie ist keine begnadete Tänzerin mehr, zu alt für neue Engagements und ohne jede Absicherung. Rente? Fehlanzeige. Stattdessen eine Vergangenheit, in der sie alles ihrer Karriere geopfert hat - auch ihre Tochter Hannah (Billie Lourd), die von anderen adoptiert wurde, weil Shelley als Mutter oft abwesend war.
Der Glanz vergangener Tage
Auf der Bühne fühlt Shelley sich wunderschön und wertgeschätzt, im echten Leben hingegen orientierungslos. Sie klammert sich an eine vergangene Ära ("Wir waren die Botschafterinnen für Style und Anmut"), spricht in nostalgischen Anekdoten, zeigt stolz verblasste Erinnerungsstücke und glaubt fest daran, dass ihre Show noch immer beeindruckend ist. Indes staunt sie über Banalitäten wie die hohen Zitronenpreise. Naiv, ein wenig hilflos, aber voller Sehnsucht nach Anerkennung -
Anderson verkörpert die Protagonistin mit einer Intensität und Tiefe, die ihre bisherige Karriere in den Schatten stellt. Ihre Darstellung fängt die Verletzlichkeit und Stärke einer Frau ein, die in einer sich verändernden Welt ihren Weg finden muss, sich aber lieber in den Glanz vergangener Tage flüchtet.
Erst als Hannah auf Einladung ihrer Mutter anreist, um endlich die Show zu sehen, trifft sie die Realität mit voller Wucht. Die Vorstellung der "Razzle Dazzle"-Show ist enttäuschend - altbackene Choreografien, müde Inszenierung, eine vergessene Darstellerin im Rampenlicht. Es ist nicht die beeindruckende Karriere, die Shelley ihrer Tochter stets suggeriert hatte.
Für Hannah, die jahrelang das Gefühl hatte, im Schatten dieser Show zu stehen, ist das ein Schlag ins Gesicht: Sie wurde für eine Welt zurückgelassen, die längst verblasst ist. Ihre Enttäuschung ist greifbar und zum ersten Mal wird Shelley mit der Diskrepanz zwischen ihrer Vorstellung und der Wirklichkeit konfrontiert.
"The Last Showgirl" von Regisseurin Gia Coppola - Tochter von Sofia Coppola, Enkelin von Francis Ford Coppola - ist weniger eine stringente Erzählung als eine kleine Charakterstudie, mit 89 Minuten für heutige Verhältnisse erstaunlich kurz und dramaturgisch schlicht. Stattdessen folgt der Film Shelley in ausgewählten Momenten ihres Lebens, die sich langsam zu einem Bild ihrer inneren Leere zusammensetzen. Es gibt keinen großen Wendepunkt, keine dramatische Enthüllung, doch er trifft ins Herz.
Besonders stark ist in diesem Hinblick auch Jamie Lee Curtis als Annette, eine ehemalige Showgirl-Kollegin, die mittlerweile in einem Casino tief solariumgebräunt als Tanga tragende Cocktail-Kellnerin arbeiten muss. Curtis' rohe, ungeschönte Darstellung macht betroffen, und ihr Schicksal spiegelt Shelleys Ängste wider.
"Meine Brüste hatten eine fabelhafte Karriere"
In den fast 40 Jahren, die sie bereits im Rampenlicht steht, wurde Pamela Anderson nie wirklich ernst genommen: weder als Playmate auf Dutzenden "Playboy"-Covern noch als Rettungsschwimmerin in der Hitserie "Baywatch". Für ihre Beziehungen und Blitzehen mit den Skandalrockern Tommy Lee und Kid Rock wurde sie ebenso belächelt wie für ihren politischen Aktivismus, wenn sie sich als Veganerin für Tierschutz oder die Linken-Ikone Jean-Luc Mélenchon einsetzt. "Meine Brüste hatten eine fabelhafte Karriere - ich bin einfach immer nur so mitgetrottet", sagte sie einst.
Das dürfte sich in den letzten Jahren geändert haben. Gehörten große Brüste und schweres Make-up früher zu ihren Markenzeichen, wird sie von Frauen heute für ihren Minimalismus gefeiert. Anderson präsentiert sich in der Öffentlichkeit meist ganz ohne Schminke. Sie gefalle sich so einfach besser, erklärte sie die Entscheidung schlicht.
Auch mit ihren Projekten erhält Anderson seit ihrer Hauptrolle am Broadway-Stück "Chicago" (2022) zunehmend positive Kritiken. Mit "The Last Showgirl" hat sie nun endgültig bewiesen, dass sie mehr ist als das blonde Sexsymbol der 90er. Daran, dass sie für das bittersüße Drama nicht für einen Oscar nominiert wurde, stört sich die 57-Jährige aber nicht weiter. "Das konnte ich mir ohnehin gar nicht vorstellen", sagte sie kürzlich gegenüber "Elle".
Bedauerlich ist es trotzdem, zumal "The Last Showgirl" alle Elemente einer klassischen Hollywood-Erfolgsgeschichte in sich trägt. Es ist ein Film über verpasste Chancen, das unaufhaltsame Vergehen der Zeit und den schmerzhaften Prozess, sich der Realität zu stellen. Das mag kein großes Kino sein, ist aber ein eindringlicher Blick auf Frauen, die von der Gesellschaft für überholt erklärt werden - und ein Triumph für Pamela Anderson, selbst wenn ihr dieser nicht offiziell zugesprochen wird.
"The Last Showgirl" läuft ab 20. März in den deutschen Kinos.
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