Die Programmdirektorin und der Chefredakteur des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), Katrin Günther und David Biesinger, treten von ihren Posten zurück. Grund ist die Berichterstattung über den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar, bei dem der Sender einer Betrügerin auf den Leim gegangen war, die den Vorwurf eines sexuellen Übergriffs erhoben hatte – die Vorwürfe waren aber erfunden wie die Identität der Frau selbst auch. Ohne eine hinreichende Prüfung wurde der Beitrag mit den Anschuldigungen gesendet.
Eine zynische Bewertung dieser Rücktritte wäre, dass es sich der RBB nach der desaströsen Schlesinger-Affäre gar nicht leisten kann, anders als schnell und entschieden zu handeln. Positiv gewendet kann man aber auch sagen, dass sowohl Günther wie Biesinger die richtige Konsequenz ziehen. Ob sie dazu gedrängt wurden oder freiwillig ihre Posten aufgeben, spielt eine untergeordnete Rolle. Der RBB habe „insgesamt programmlich versagt“, resümiert Katrin Günther. „Ein Neuanfang an der Spitze der Chefredaktion soll dazu beitragen, die publizistische Reputation des RBB wieder herzustellen“, sagt Biesinger.
Noch ist unklar, was genau in dem Untersuchungsbericht der Beratungsfirma Deloitte steht, den diese im Auftrag des Senders mit dem Journalisten Stefan Wels recherchiert und verfasst hat. Ein Zwischenbericht liegt dem RBB seit dem 5. März vor, ein Abschlussbericht kommt Ende März. Klar ist aber schon heute, dass die Aufarbeitung offenbar dermaßen belastend ist, dass es keine kleinen Lösungen geben kann, beispielsweise nur innerhalb der Redaktion Konsequenzen zu ziehen. Ob Günther und Biesinger im Sender bleiben, ist offenbar noch unklar, über ihre künftigen Aufgaben befinde man sich in Gesprächen, heißt es.
Jeder Fehler ein Elfmeter
Vertrauen ist das höchste Gut für Medien. Dieses Vertrauen erodiert – nicht nur gegenüber öffentlich-rechtlichen Sendern, sondern grundsätzlich gegenüber der Presse. Sie steht im Kreuzfeuer von Gegnern, die unabhängigen Journalismus verachten und Medien deshalb als manipulativ und voreingenommen diffamieren. Jeder Fehler wird so zu einem Elfmeter, um die Glaubwürdigkeit zu demontieren.
Hier dürfen Medien ihren Gegnern, den Verächtern einer unabhängigen Presse, nicht in die Hände spielen. Und sie dürfen ihr Publikum, das ihnen Vertrauen entgegenbringt, nicht enttäuschen. Dieses Pathos braucht es, um die Tragweite der Gefahr deutlich zu machen, in der Medien sich heute befinden. Denn wer mag noch seinen Rundfunkbeitrag oder für ein Abonnement bezahlen, wenn Falschmeldungen folgenlos bleiben?
Erst Anfang der Woche hatte die RBB-Intendantin Ulrike Demmer in der Aufklärung der Causa Gelbhaar um etwas Geduld gebeten und gesagt: „Das sind Prozesse, die hochkomplex sind.“ Natürlich sind viele eklatante Fehler in ihrer Entstehung komplex. So fragt sich beispielsweise immer noch, ob es nur der Wunsch nach einer reißerischen Story war, die den RBB zur Ausstrahlung der Gelbhaar-Vorwürfe gebracht hat. Oder ob es vielleicht Fürsprecher einer solchen Enthüllung gab, die aus anderen Motiven handelten?
Aber auch für komplexe Probleme kann es klare Lösungen geben. Die haben Günther, Biesinger und Intendantin Demmer heute gefunden. Der nächste Schritt ist die Offenlegung der Hintergründe des Skandals.
Christian Meier ist WELT-Medienredakteur.
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