Mit "10 nackte Friseusen" wurde Mickie Krause einst zum Begründer der Ballermann-Musik. Heute stellt er sich musikalisch breiter auf und veröffentlicht mit "Plus 1" ein Album voller Duette. Mit ntv.de spricht er über Malle, Alkohol und Schlager.

ntv.de: Auf RTL+ gibt es aktuell die Dokumentation "Schlagerliebe hautnah" zu sehen, die nicht nur die Bühnenfigur Mickie Krause, sondern auch den Privatmann dahinter porträtiert. Wie gehen Sie in diesen unterschiedlichen Welten mit der Schere im Kopf um?

Mickie Krause: Für mich gibt es diese Schere eigentlich nicht, weil ich diesen Job nun wirklich schon seit 28 Jahren hauptberuflich ausübe. Der private Mickie Krause ist nicht so großartig anders als der, den wir von der Bühne kennen. Es gibt Momente, in denen mir meine Kinder sagen: "Wir wissen gerade gar nicht, ob du jetzt Papa bist oder der Mickie Krause, der auf der Bühne steht." Den Unterschied gibt es also an sich nicht. Trotzdem bin ich froh, nicht 24 Stunden am Tag Mickie Krause sein zu müssen.

Die Dokumentation arbeitet auch heraus, was für ein harter Job es de facto ist, Partyschlager-Sänger zu sein. Ihre Tage sind oft durchgetaktet, da kommen schon mal 200 Auftritte im Jahr zusammen. Sind Sie mehr Sänger oder dann doch auch Geschäftsmann?

Ich bin in erster Linie Sänger und Musiker, aber natürlich auch Geschäftsmann. Man darf schließlich nicht vergessen, dass man damit auch Geld verdient. Das Geld war für mich allerdings nie der Antrieb, ein Bühnenmensch zu werden. Ich wollte schon als Jugendlicher auf die Bühne, habe mit 15 in der Schulband gesungen, mit 16 meine eigene Rockband gehabt und an Wochenenden in Diskotheken als Moderator gejobbt. Das waren alles Bausteine auf meinem Weg dorthin, wo ich jetzt bin. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und bin dankbar, heute mein Geld damit zu verdienen. Aber Geld war nie der Grund dafür.

Sie haben eine Familie mit vier Kindern. Nicht gerade einfach, das alles unter einen Hut zu bekommen, oder?

Heute ist es zum Glück ein bisschen einfacher, weil ich bei Weitem nicht mehr so viel mache wie noch vor Corona. 2019 habe ich zum Beispiel 196 Auftritte in Deutschland absolviert - plus 50 auf Mallorca. Da wusste ich ansatzweise, wie sich Burnout anfühlen kann. Als Corona kam, konnte ich dann doch entschleunigen. Heute nehme ich mir meine Auszeiten, in denen ich auch einfach mal wieder runterfahren kann. So habe ich inzwischen Gott sei Dank auch mehr von meiner Familie als noch vor zehn oder 15 Jahren. Ich habe leider wenig von der Entwicklung meiner drei Töchter mitbekommen, dafür aber umso mehr von meinem Sohn.

Sie sind mit Ihrer Frau seit über 25 Jahren verheiratet. Funktioniert das trotz Ihres Jobs so gut oder gerade deswegen, weil es neben Ballermann und Co diesen Rückzugsort der Familie gibt?

Es ist einfach so, dass meine Frau da mitgewachsen ist. Sie war noch sehr jung, als wir uns kennengelernt haben, da fing das mit der Bühne gerade erst an. Im November 1991 habe ich begonnen, semiprofessionell Musik zu machen, damals mit (Comedian) Atze Schröder, (Musiker, Komponist und Comedy-Autor) Amaretto und einigen Bekannten aus dem Münsterland. Da war ich gerade erst drei oder vier Monate mit meiner Freundin zusammen, die ich später auch geheiratet habe. Sie ist also damit wirklich groß geworden und hat das auch immer zu 100 Prozent mit vertreten. Man braucht ja auch jemanden, der den ganzen Quatsch mitmacht. Da war meine Frau die Richtige.

Ihr Job ist es, gute Laune zu verbreiten - in Ihrem Genre noch mehr als bei anderen Pop- oder Rockstars. Aber auch in Ihrem Leben gibt es schlechte Tage - und sei es nur, dass eines der Kinder mit einer schlechten Note von der Schule nach Hause kommt ...

Oh, daran gemessen hätte ich ganz, ganz viele schlechte Tage. (lacht)

Wie gelingt es Ihnen, die negativen Dinge auszuschalten, sobald Sie die Bühne betreten?

Ich sage immer: Ich bin von 365 Tagen vielleicht fünf schlecht drauf - und hoffe einfach, dass ich nun gerade an diesen nicht auf der Bühne stehe. Ich bin insgesamt wirklich ein positiv eingestellter Mensch. Ich versuche, immer erst mal das Gute zu sehen und setze mich mit negativen Dingen nicht großartig auseinander. Aber klar, wenn es mal so etwas wie Krankheit in der Familie gibt, ist das nicht einfach. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, als ich 2021 bei "Let's Dance" war und mein Vater schwer erkrankte. Das sind schon Momente, in denen auch ich nicht abschalten kann und in denen man die Probleme dann auch - wie in diesem Fall - mit in den Tanz nimmt.

In der Dokumentation "Schlagerliebe hautnah" wird Ihnen der Titel "Erfinder der Ballermann-Musik" verliehen. Da würde mit Jürgen Drews vielleicht zumindest der "König von Mallorca" widersprechen …

Ich sehe mich eigentlich schon als den Erfinder, denn Jürgen Drews ist ja an sich kein Ballermann-Sänger, sondern ein Schlagersänger - auch wenn er das letztlich nicht mehr sein wollte und sich eher im Jazz oder anderen Bereichen gesehen hat. Er ist ein großer und erfolgreicher Schlagersänger, der auch auf Mallorca aufgetreten ist, aber nicht mit Ballermann-Musik. Erste typische Ballermann-Lieder waren schon "10 nackte Friseusen" oder "Geh doch zu Hause, du alte Scheiße!". Da haben sich viele andere Künstler, die dann auf einmal auf Mallorca tätig wurden, gedacht: "Oh, was Herr Krause macht, finde ich gut. Das versuche ich jetzt auch mal."

Man könnte die Liste Ihrer Hits noch beliebig fortsetzen - von "Finger im Po - Mexiko" über "Jan Pillemann Otze" bis "Schatzi, schenk mir ein Foto". Über "10 nackte Friseusen" haben Sie im vergangenen Jahr in einem Interview jedoch gesagt, Sie wüssten nicht, ob Sie den Song heute noch veröffentlichen würden. Warum?

Weil ich glaube, dass diese Art des Humors und der Doppeldeutigkeit ihre spezielle Zeit hatte. Das waren eben diese Jahre um 1999 oder 2000. Das Gleiche wird man vielleicht in fünf Jahren über einen Song wie "Layla" sagen. Heute würde ich das in dieser Doppeldeutigkeit nicht mehr singen wollen.

Sie singen das Lied aber doch immer noch …

Ja, hier und da am Ende meiner Show - als Ballade und nur in ausgewählten Locations. Es ist ja nicht so, dass ich mich für den Song schäme. Im Gegenteil: Es ist der Song, der mir meine Karriere eröffnet hat. Wenn ich ihn nicht gesungen hätte, würden wir jetzt nicht hier sitzen und dieses Interview führen. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass es die "Friseusen" gegeben hat. Aber an sich glaube ich, dass es heute nicht mehr angesagt ist, diese Art von Text den Leuten näherzubringen.

Sie haben das Lied "Layla" von DJ Robin und Schürze angesprochen, um das es eine große Diskussion gab. Bei Songs, die - so wie "10 nackte Friseusen" auch - unter die Gürtellinie gehen, wird schnell der Sexismus-Vorwurf laut. Was entgegnen Sie dem?

Wir haben nicht die Absicht, mit der Musik, die wir machen, zu provozieren. Wir wollen nicht polarisieren. Wir wollen mit dem, was wir machen, für gute Laune sorgen. Als "10 nackte Friseusen" 1999 erschienen ist, gab es diese Sexismus-Diskussion noch gar nicht. Als Einzige hat sich damals die Friseurinnung Hamburg darüber beschwert. Aber wir wollen nicht beleidigen oder verletzen - deshalb achten wir ja mittlerweile auch verstärkt darauf, dass die Musik oberhalb der Gürtellinie stattfindet.

Es gibt neben Ihnen noch andere Ballermann-Stars, die reflektierter sind, als manche das vielleicht zunächst annehmen. Ikke Hüftgold zum Beispiel ist auch jemand, der durchaus etwas zu sagen hat. Braucht es womöglich sogar eine gewisse Intelligenz, um ein guter und erfolgreicher Partyschlager-Sänger zu sein?

Das hoffe ich! Letzten Endes lieben wir doch das, was wir machen, und jeder hat so seine Figur. Icke zum Beispiel ist im Grunde so derbe und heftig, wie ich es um 1999 war. Ich wollte mich als Mickie Krause aber musikalisch weiterentwickeln, sodass ich inzwischen eben auch in hochwertigen TV-Formaten mit Florian Silbereisen oder Giovanni Zarrella oder dem Fernsehgarten auftrete. Ich glaube, diese Entwicklung, die ich über viele Jahre gemacht habe, zeichnet mich heute aus. Ich bin - anders als die meisten anderen Künstler in dem Bereich - musikalisch nicht stehen geblieben.

In Partyschlagern geht es oft um Alkohol - auch in Ihren Songs. Wie halten Sie es selbst damit?

Ich bin gestern noch 30 Kilometer an der Playa de Palma gelaufen und bereite mich gerade für den Leipzig-Marathon vor. Das kann man nicht machen, wenn man permanent Alkohol trinkt. Ich trinke schon Alkohol, aber nie vor den Auftritten. Wenn ich an einem Abend drei Auftritte habe, geht es um Leistung. Das ist dann schon gefühlt wie ein kleiner Marathon, mindestens wie ein Halbmarathon. Ich kann Alkohol vertragen, aber auch sehr gut darauf verzichten.

Es gibt aber sogar einen eigenen Likör von Ihnen. Lohnt es sich, den mal zu testen?

Auf jeden Fall. Das ist allerdings in erster Linie ein Frauengetränk: Kirsche und Waldbeere. Wir haben den Likör exklusiv an einen Lebensmitteldiscounter vermarktet. Das läuft richtig gut.

Noch wichtiger als der eigene Likör ist Ihnen aber vermutlich Ihr neues Album, das jetzt erscheint. "Plus 1" heißt es, weil es ein Album mit elf Gästen und voller Duette ist. Mit dabei sind Ballermann- und Schlager-Stars wie Lorenz Büffel und Tim Toupet, Anna-Maria Zimmermann oder Semino Rossi. Wie wurden sie ausgesucht?

Erst mal geht es natürlich um Sympathie. So etwas macht man ja nur mit Leuten, mit denen man auch Lust hat, gemeinsam ins Studio zu gehen. Es war eine große Ehre für mich, als Semino Rossi vor zwei Jahren beim "Schlagerboom" in Dortmund mit der Idee auf mich zukam: "Mickie, wir müssen unbedingt ein Lied zusammen machen." So kam es zum Duett "Was bitte was" auf "Plus 1". Als dann "Handwerker" mit Julian Sommer im letzten Jahr entstand, war das mehr oder weniger der Auslöser für dieses Duette-Album. Es folgten "Bock auf Bier" mit Lorenz Büffel und "Dann leg ich Schlager auf" mit Tim Toupet - und wir haben weitere Gäste eingeladen, um "Plus 1" zu machen.

Gäste, mit denen Sie auch Lust dazu hatten, wie Sie sagen. In der Ballermann- und Schlager-Branche drängen ja viele auf die Bühne - auch viele weniger professionelle Sängerinnen und Sänger. Wie groß ist da der Konkurrenzkampf?

Ich sage immer: Der Kuchen ist groß genug und da fällt für jeden ein Stückchen ab. Deshalb müssen wir nicht streiten und uns bekriegen. Ich konzentriere mich immer erst mal auf mich. Was links und rechts von mir ist, interessiert mich, ehrlich gesagt, nicht. Dafür bin ich einfach auch schon zu lange dabei. Ich habe viele kommen und auch wieder gehen sehen - nicht zuletzt aus den Reality-Formaten. Ich glaube, das wird sich auch bereinigen. Die Leute haben keine Lust mehr darauf, sondern erwarten von den Künstlern auch eine gewisse Qualität.

Ein ganzes Album aufzunehmen, ist heutzutage nicht mehr unbedingt selbstverständlich. Was bedeutet das Ihnen?

Stimmt, heute hast du als Künstler eigentlich gar nicht mehr die Chance, ein komplettes Album zu produzieren und zu veröffentlichen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es mein letztes physisches Album sein wird. Viele Menschen wissen ja schon gar nicht mehr, was ein CD-Player ist. Trotzdem freut es mich, dass meine Plattenfirma gesagt hat, wir machen auch noch einen Tonträger. Es macht mich stolz, dass ich das Produkt, mein mittlerweile achtes Album, in der Hand halten kann.

Mit "100 Jahre gute Laune" befindet sich auf dem Album tatsächlich auch ein Duett mit Jürgen Drews. Und das, obwohl er wegen seiner gesundheitlichen Probleme eigentlich sein Karriereende verkündet hat ...

Der Song wurde auch schon 2020 eingesungen. Wir hatten ihn in der Schublade und wollten ihn immer mal wieder veröffentlichen. Als Jürgen Drews dann sein Karriereende bekannt gegeben hat, hat es aber erst einmal nicht gepasst. Nun wird er demnächst 80 - da fanden wir es einen guten Anlass.

Auf "Plus 1" setzt sich die von Ihnen schon angesprochene musikalische Weiterentwicklung fort, häufiger mal den Spagat zwischen Ballermann-Musik und Schlager zu wagen. Was reizt Sie daran?

Musikalisch auch im Bereich Schlager stattzufinden, tut mir nicht weh. Im Gegenteil: Es macht mir wirklich Spaß. Diese Art der Unterhaltung ist noch mal eine ganz andere. Wenn ich etwa bei einer "Schlagernacht des Jahres" auf der Berliner Waldbühne bin, bekommt mein Auftritt noch mal eine ganz andere Wertigkeit. Das ist eine ganz andere Feier, die aber wirklich sehr viel Spaß macht. Die Kollegen und Kolleginnen hier sind gefühlt auch angenehmer als so mancher Mallorca-Kollege. Sicher gibt es auch in der Schlagerszene ein Hauen und Stechen, aber gefühlt weniger als am Ballermann.

Ohne "10 nackte Friseusen" geht es dann aber auch auf "Plus 1" nicht. Zusammen mit Jens "Knossi" Knossalla haben Sie eine neue "Silberhochzeits-Edition" des Songs aufgenommen. Weil Sie hoffen, dass das Lied künftig bei Silberhochzeiten aufgelegt wird?

Man kann das Lied natürlich ohne Weiteres auf Silberhochzeiten spielen. Aber es ist nun auch selbst 25 Jahre alt. Bei Knossi war es auch so. Er sagte: "Mensch Krause, wir müssen unbedingt mal was zusammen machen. Aber ich weiß gar nicht was. Ich will ja auch deiner Fanbase gerecht werden." Dann kam er darauf: "Ja, '10 nackte Friseusen', das haben wir damals rauf und runter gehört." Da war klar, was wir gemeinsam singen würden.

Es gibt Aufnahmen, die zeigen, wie Sie zusammen mit Menschen in Afrika Mickie-Krause-Songs schmettern. Sie engagieren sich in Ländern wie Kenia oder Ruanda für Bildungsprojekte. Stimmt es, dass bereits fünf Schulen Ihren Namen tragen?

Genau, aktuell sind es fünf, die sechste befindet sich gerade im Bau. Schulen zu bauen und in die Bildung von Kindern in Entwicklungsländern zu investieren, ist mir eine Herzensangelegenheit, weil ich sehe, dass das Geld da auch wirklich gut investiert ist. Als ich 2019 die erste Schule in Ruanda eröffnet habe, war das ein so dankbarer und toller Moment für mich - neben den Geburten meiner Kinder einer der schönsten und emotionalsten Momente in meinem Leben.

Vor drei Jahren sind Sie aus traurigem Grund in die Schlagzeilen geraten. Im Rahmen der Dreharbeiten zu einer Vox-Show wurde bei Ihnen Blasenkrebs diagnostiziert. Darf ich fragen, wie es Ihnen heute geht?

Mir geht es sehr gut. Ich bin tumorfrei. Nach einer endoskopischen Untersuchung vor einigen Wochen sagte mein Arzt zu mir: "Das sieht alles so aus, als wäre nie etwas gewesen."

Sie werden in diesem Jahr 55. Wenn die Gesundheit mitspielt, sehen wir Sie also auch noch mit 60, 65 oder 70 auf der Bühne?

Ich denke schon. Mein Rentenbescheid ist zwar am 1. Juli 2037 fällig. Aber es ist für mich ja keine Strafe, auf die Bühne zu gehen. Es ist immer noch meine Leidenschaft, für die ich brenne.

Mit Mickie Krause sprach Volker Probst

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke