Das Rennen um das bezahlbare Elektroauto für die breite Masse haben sie schon fast verloren. Doch jetzt greifen die Chinesen die alte Auto-Welt dort an, wo sich Mercedes & Co bislang unschlagbar wähnten - in der Luxusklasse. Fünf Beispiele.
Es ist noch nicht lange her, da war die Mercedes S-Klasse das angesehenste Auto, das man in China fahren konnte - und in Stuttgart kamen sie mit dem Geldzählen kaum hinterher. Genauso wenig wie bei BMW in München und bei Audi in Ingolstadt. Doch die Zeiten haben sich geändert und es weht neuerdings ein scharfer Wind bis hinauf ins Oberhaus.
Denn erstens haben die deutschen Autohersteller die Elektrifizierung verschlafen oder zumindest verstolpert und während der BMW i7 noch halbwegs gut ankommt, ist der Mercedes EQS in China glatt durchgefallen und Audi hat in dieser Klasse erst gar kein Akku-Auto im Angebot. Und zweitens leistet sich mittlerweile auch die Oberschicht im Fernen Osten einen gewissen Patriotismus und kauft auch am oberen Ende des Spektrums bevorzugt heimische Produkte - zumal die immer wettbewerbsfähiger werden. Fünf Beispiele.
Nio ET9: Willkommen in Wolkenkuckucksheim
Riesige Reichweite und rekordverdächtige Ladeleistungen - das ist beim Top-Modell einer China-Marke keine Überraschung mehr, selbst wenn es mit umgerechnet rund 100.000 Euro Startpreis fast noch ein Schnäppchen ist. Aber schon mit der Luxuslounge im Fond lässt der Nio ET9 die etablierten Europäer alt aussehen. Denn auf der Massageliege hinten rechts lümmelt man nicht nur bequemer als in einem langen Siebener oder einem Maybach, auch das Ambiente ist mindestens genauso elegant. Und dass der Klapptisch ein Designerstück ist und sich nicht anfühlt, wie von Ikea oder dass der Kühlschrank das Essen auch warmhält, sind zwei Nebensächlichkeiten, die den Chinesen viel Beachtung einbringen.
Aber mehr noch überrascht Nio damit, dass sie Mercedes & Co jetzt auch in einer ihrer Paradedisziplinen herausfordern und die 5,32 Meter lange Fließhecklimousine mit dem aktuell wohl aufwendigsten Fahrwerk in dieser Klasse ausstatten. Elektrohydraulische Dämpfer mit rasend schneller Regelung, feinsinnige Sensoren und eine Cloud-Datenbank mit allen Fahrbahnschwellen und Straßenschäden in China machen den ET9 zu einem sanften Gleiter, mit dem man wie in Watte gepackt und auf Wolken gebettet seinem Ziel entgegenschwebt. Und während mittlerweile selbst die S-Klasse in China ins Schlingern kommt, bringen das Nio-Flaggschiff selbst zwei Reifenplatzer bei 170 Sachen nicht aus der Ruhe.
Denza Z9 GT: Der bessere Taycanera
Er sieht aus wie eine Mischung aus Porsche Taycan und Panamera. Doch während sie früher in Stuttgart über so ein Plagiat gelacht hätten, müssen sie sich jetzt vor dem Denza Z9 GT aus dem BYD-Imperium fast schon in Acht nehmen. Nicht nur, dass der fast 5,20 Meter lange Shooting Break aus der Feder des ehemaligen Audi-Designchefs Wolfgang Egger mindestens genauso gut aussieht wie die beiden Stuttgarter Viertürer. Er ist vor allem technisch mindestens auf Augenhöhe, wenn nicht sogar besser.
Denn zur reinen E-Version mit 965 PS und 100-kWh-Akku für weit mehr als 600 Kilometer Reichweite kommt noch ein Plug-in-Hybrid mit bald doppelt so großem Akku wie beim Panamera und deshalb über 200 Kilometern elektrischem Aktionsradius, so dass die kombinierte Reichweite auf über 1100 Kilometer klettert. Kein Wunder, dass die Chinesen besonders komfortable Sitze eingebaut haben und gleich zwei Kühlschränke, so selten, wie man mit dem Denza anhalten muss.
Auch der vornehmste BYD-Anleger setzt nicht allein auf Antrieb und Ambiente, sondern leistet sich ebenfalls ein paar technische Gimmicks. So hat Denza die beiden E-Motoren an der Hinterachse so programmiert, dass sie auch gegenläufig drehen können und der Shooting Break deshalb sogar den Krebsgang beherrscht. Vordergründig hilft das zwar vor allem beim Einparken und beim Rangieren. Aber vor allem macht das den Z9 GT zum Star auf Social Media - und das ist vielen Kunden wichtiger als alle Präsenz auf der Straße.
Wie ernst es die Chinesen mit ihrem Vorstoß ins Oberhaus meinen, wird man diesen Sommer sehen. Denn während etwa Nio über den Export des ET9 noch nicht entschieden hat, wagt sich der Z9 GT in die Höhle der Löwen und startet bald auch bei uns.
YangWang U7: Powerplay in feinen Zwirn
BYD setzt beim Sturm aufs Oberhaus nicht allein auf Denza und den Z9 GT, sondern hat mit dem YangWang U7 gleich noch einen zweiten Pfeil im Köcher. Diesmal als schnittige, aber vergleichsweise klassische Limousine gezeichnet, taugt der allein wegen seinen potenten Antriebsstrangs zum neuen Spitzentrumpf im Quartett der elektrischen Luxusliner. Zum einen, weil er mit vier Motoren auf stolze 1.300 PS kommt und damit trotz seiner 3,1 Tonnen in weniger als drei Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt. Und zum anderen, weil die Batterie irrwitzige 135,5 kWh hat und deshalb im Normzyklus über 700 Kilometer schafft. Selbst wenn die Messungen in China etwas laxer sind, ist der U7 damit Autos wie dem Siebener um Längen voraus.
Und auch bei diesem Auto geht es nicht nur um Leistung und langen Atem. Für den U7 hat sich BYD ebenfalls ein besonders aufwendiges Fahrwerk einfallen lassen, das mit schneller Regelung und großen Federwegen allerlei Spielereien möglich macht. Schnee zum Beispiel muss man dann nicht mehr mühsam vom Auto fegen, sondern der Wagen schüttelt ihn mit ein paar schnellen Federstößen wie von selbst runter.
Maextro S800: Wer hat den Längsten
Gegen ihn wirken selbst ein Maybach und Rolls-Royce zierlich. Denn mit 5,48 Metern rühmt sich der Maextro S800 als längste Limousine aus dem Reich der Mitte. Und der Luxusliner aus dem Joint Venture des Telefongiganten Huawai mit dem Autobauer JAC punktet nicht allein mit Präsenz, Protz und Platz. Für Preise von umgerechnet 132.000 bis 198.000 Euro gibt es den gleichen Sternenglanz wie bei den Briten, mehr Komfort als bei den Schwaben und einmal mehr ein Gimmick am Fahrwerk. Weil die Hinterachslenkung viel aggressiver ist als bei S-Klasse & Co, wedelt der S800 im Werbevideo förmlich zwischen geparkten Maybachs umher und lässt die Limousinen aus der Alten Welt damit buchstäblich weit hinter sich.
Die Chinesen planen offenbar mit einer reinen E-Version, deren drei Motoren zusammen auf runde 1000 PS kommen sollen, und einer Variante mit Range Extender, bei der dann noch ein Verbrenner als Generator ins Spiel kommt und vierstellige Reichweiten ermöglichen soll. Zum Vergleich: Der Rolly-Royce Spectre schafft gerade mal halb so viel und von einer elektrischen Limousine ist bei Maybach genauso wenig die Rede wie bei Bentley.
Hongqi HS9: Rote Fahne stolz im Wind
Mit ihren Studien waren sie auf den Autoshows in Peking oder Shanghai in den letzten Jahren ein steter Garant für herzhaftes Gelächter. Denn egal, ob sich Hongqi jetzt an feudalen Limousinen oder fetten SUV versucht hat, immer sahen die Messe-Modelle aus wie eine Mischung aus Kopie und Karikatur europäischer Luxusliner.
Doch so langsam dürfte den Edelmarken aus Europa das Lachen im Halse stecken bleiben. Denn daheim in China verkauft der Luxus-Ableger der FAW-Gruppe mittlerweile mehr als 300.000 Autos im Jahr im Ausland machen die Chinesen, die ihren Namen "Rote Fahne" mit einer flammenden LED-Signatur im mächtigen Kühlergrill stolz vor sich hertragen, mit einem gewaltigen Elektro-SUV von sich reden.
Als wäre das Format von gut 5,20 Metern Länge nicht schon auffällig genug, haben die Chinesen den Wagen auch noch mit jeder Menge Lametta behängt. Aber Glanz und Gloria, das hat bei der "Roten Fahne" Tradition. Schließlich war Hongqi die erste Marke im Reich der Mitte und hat ihr Geschäft 1958 mit umgebauten amerikanischen Prunklimousinen für die Elite in Partei und Politik begonnen.
Viel Konkurrenz muss der HS9 bislang nicht fürchten. Denn von Rolls-Royce und Bentley gibt es bis dato noch kein elektrisches SUV und der Maybach EQS fährt weitgehend unter der Wahrnehmungsschwelle. Kein Wunder, dass sich die Chinesen längst nach Europa wagen: In Norwegen kann man den HS9 schon kaufen und bald soll er auch zu uns kommen.
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